Als ich gestern im Johannes-Evangelium las, war ich tief beeindruckt, wie herzhaft-bewussst und nicht zuletzt auch liebevoll-feierlich Jesus Christus Abschied nahm von seinen Jüngern. Obwohl etwas Schreckliches, das Schrecklichste überhaupt, bevorstand: Sein schuldloses am Kreuz hängen, wo Er für Stunden gesammelte Not, Schuld und Schmerzen der ganzen Menschheitsgeschichte tragen und durchleiden musste. Gottverlassenheit pur. Unvorstellbar für mich.
Doch gleichzeitig versteckte sich hinter dem Vorhang dieser brutalsten Geschichte die allergrösste Gnade für uns Menschen, die man empfangen kann. Für jeden, der sie suchen geht und dankbar annimmt, weil ihm klar geworden ist, dass das Todesurteil nicht Jesus Christus, sondern ihm gehört hätte. Einen so verrückten stellvertretenden Sterbeweg zu gehen, ist nur die Liebe in Person bereit – und fähig.
Nichts desto Trotz: Jesus wollte feiern, bevor Er ging. Ein letztes Festmahl für Seine engsten Freunde geben, aus dem schliesslich unser Abendmahl hervorgegangen ist. Die Eucharistie. In grosser Würde wollte Er Abschied nehmen von Seinen Nächsten. Nicht eilig einen Programmpunkt abhaken. Allein schon Seinen 12 Freunden die Füsse zu waschen, dauert länger als ein paar Minuten.
Nein, Jesus Christus ging langsam! Er hatte so viel auf dem Herzen, was Er Seinen Freunden im Rahmen von Feierlichkeit mitgeben wollte, so lange Er noch konnte. Seine Liebe zu ihnen, Seine Besorgtheit um sie, drängte Ihn dazu. Noch war Er da – aber nicht mehr lange … Diese kurze Zeit wollte Er auskaufen. Er wusste, wenn gefeiert wird, lassen die Menschen den Alltag für einige Stunden hinter sich. Sind ganz DA.
Weder liess Er sich von Seiner Angst (Lukas 22/42-44), vor dem was kommt, vom Feiern abhalten, noch von der lähmenden Traurigkeit, die Abschiede allermeist begleiten.
Einmal mehr spürte ich die Fülle Seiner Liebe, auch Sein hohes Verantwortungsgefühl für Seine Menschen. Alles gab Er ihnen, was von Seiner Seite her möglich war, damit sie auch nach Seinem Weggang im Leben zurechtkommen konnten, nicht verzagen mussten. Ganze fünf Kapitel (Johannes 13 - 17) sind diesem intensiven Abschiednehmen gewidmet. Und sie dienten nicht bloss damals Jesu Freunden – sie sind bis heute kostbar, auch für mich. Ein grosses Vorbild, mit Abschiednehmen umzugehen. Bewusst und feierlich, trotz Schmerzen.
Dazu haben sich mein Gefährte und ich damals entschieden, als wir nicht darum herumkamen, unsere Pflegetochter auf einen neuen Weg, den wir von Amtes wegen nicht kennen durften, loszulassen ins Irgendwohin. Ich bot unserem Blumenkind an, für es ein Abschiedsfest zu gestalten, zu dem es all jene Menschen einladen dürfe, die es gerne dabei haben möchte. Blumenkind überlegte nicht lange. Fing bald mit Aufzählen der Gäste an, die zwischen 5 und 70 Jahren alt waren. Nicht überall stiessen wir mit dieser Idee auf Verständnis. Irgendwie passe das doch nicht für einen Abschied, der eigentlich traurig sei.
Wir feierten einen ganzen Tag Blumenkinds Leben und seinen Abschied. Von dem damals niemand von uns wusste, wie endgültig oder nicht er sein würde. Feierten mit all ihren geladenen Gästen. Es wurde ein gar fröhliches Ereignis mit nachhaltig wärmender Wirkung. Würde zutiefst bereuen, hätte ich anders entschieden.
Blumenkind und wir haben uns wieder gefunden.
Es trug am Fest ein Rosenkrönlein – und hat uns in den Garten einen Rosenstock gepflanzt, der umzugsbedingt schon ungewöhnlich viel von der Schweiz kennengelernt hat.
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