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Als meine Lebensreise begann

Es war im Frühling 1979. Das Jahr meines beruflichen Einstiegs als Grundschullehrerin. Gleichzeitig fing das eigenständige Wohnen für mich an. Ein neuer Anfang und Lebensabschnitt – den ich sehr ersehnte und gleichzeitig auch weiche Knie bekam, wenn ich dran dachte, dass es jetzt so richtig losging mit meiner „Reise durch das Leben“. Vielleicht sehnte ich mich gerade deshalb so sehr nach einem zuverlässigen Kompass? Irgendwie ist das Leben ja sowas wie ein ellenlanger Orientierungslauf …

 

Ich hatte mich bereits ein paar Jahre intensiv mit der Kompassfrage auseinandergesetzt und fand, es sei jetzt höchste und beste Zeit, eine Kompassentscheidung zu treffen. Modelle gab’s und gibt’s ja viele! Eins wusste ich: Es sollte ein wetter- und wasserfestes Modell sein. Stossfest und schwimmfähig. Mit integrierter Lichtquelle, die auch bei Tag nicht versagt. Gerade so gross - oder so winzig -, dass ich es mühelos mittragen konnte, ohne Verlustrisiko. Am idealsten im Herzen. Sonst ergeht es diesem Ding bestimmt wie meinen 57 Regenschirmen, die Opfer meiner Vergesslichkeit geworden sind. Und noch etwas: Garantiedauer, lebenslänglich.

 

Kein Fachgeschäft konnte mir so was anbieten. Es scheiterte meist an meinem Winzigkeitsanspruch und der gewünschten Garantiedauer, für die ich nur heftiges Kopfschütteln erntete. Für mich ist ein Kompass sowas Persönliches! Etwas fürs ganze Leben. Den wechsle ich nicht alle paar Jahre, weil er seinen Geist aufgibt. Fängt die Sucherei von neuem an. Ich blieb bei meinen Ansprüchen und fasste Vertrauen, als ich auf jenen stiess, von dem im Beschrieb zu lesen war:

  • Wer mir nachfolgt, braucht nicht im Dunkeln umherzuirren, denn er wird das Licht haben, das zum Leben führt.
  • Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, an meiner Seite findest du nach Hause zum Vater.
  • Ich bin der Herr, dein Hirte. Dir wird nichts mangeln.
  • Ich weide dich auf grünen Auen und führe dich zu stillen Wassern.
  • Ich erquicke deine Seele; ich führe dich auf rechter Straße um meines Namens willen.
  • Und wenn du auch wanderst durchs Tal des Todesschattens, so fürchte kein Unglück, denn ich bin bei dir; mein Stecken und mein Stab, die trösten dich.
  • Ich bereite vor dir einen Tisch angesichts deiner Feinde; ich habe dein Haupt mit Öl gesalbt, dein Becher fließt über.
  • Nur Güte und Gnade werden dir folgen dein Leben lang, und du wirst bleiben im Haus des Herrn immerdar.

(nach Johannes 8/12 und 14/6 und Psalm 23)

 

Das klang in meinem Herzen sehr vertrauenswürdig. Die lebenslangen Versprechen entsprachen meinem Garantiewunsch und drückten genau das aus, wonach es mich am Start meines eigenständigen, offen vor mir liegenden Lebens zutiefst sehnte. Einen solchen Fels und festen Anker (http://www.youtube.com/watch?v=Uxviwvjyg1w) wollte ich, brauchte ich, wenn mein Leben gelingen sollte. Das war mein Herzenswunsch. Schon seit ein paar Jahren hatte dieser Kompass auf vielfältige Weise um mich geworben. Er hatte es nicht leicht mit mir. Aber Geduld! Lange wich ich aus ...

 

"Komm",

sprach Er und mahnte zum Aufbruch.

"Nein", sagte ich.

"Es lohnt sich nicht, zu beginnen, der Weg ist zu mühsam,

das Ziel zu fern.

Ich erreiche es nicht."

"Was redest Du da ?" fragte Er gütig.

"Ich bin der Anfang. Ich bin das Ende.

Von einem Punkt bis zu dem anderen führt meine Liebe.

Hier, nimm meine Hand.

Und nun komm !"

Ich war verwundert, doch ich schlug ein.

Seither bin ich mit Ihm unterwegs.

Marie Hüsing

 

Doch schliesslich, in jenem Frühling, streckte ich Ihm meine beiden Hände entgegen und schlug ein, ins Abenteuer Seiner Weggemeinschaft. Seither bin ich mit Ihm unterwegs. Über Höhen und durch ebenso viele Täler. Und wachse weiterhin näher an Sein Herz. Gnade.

 

Von jenem Tag an schaute mich alles in der Natur viel intensiver an. So, als hätte es plötzlich Sprache bekommen – auf jeden Fall einen unmissverständlich klaren Absender. Staunend spazierte ich durch die Kulturen meines Dorfes und entdeckte: Ein Kornfeld ist nicht einfach hier, weil man zufällig Korn in die Erde gelegt hatte. Wächst nicht einfach, weil Menschen es zufällig „richtig“ machen. Jeder Halm, jedes Korn trägt ein grosses Geheimnis in sich, das auf den Schöpfer des Himmels und der Erde hinweist, der in einer Weise würdig ist, von uns Lob und Dank zu empfangen, wie niemand sonst. Täglich neu.

 

Oft will mir scheinen, als hätten wir Menschen unseres noch immer satten Westens seine Adresse verloren, wüssten nicht recht wohin mit unserem Dank. Dank richtet sich immer an eine Person. Der Wind weiss damit wenig anzufangen. Er bringt viel lieber die Kornfelder zum Tanzen ... Uns zur Freude.

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