Zu erzählen, ich hätte die Führungen, die ich in den vergangenen 35 Jahren mit meinem Kompass erlebte, stets verstanden und immer von Herzen begrüsst, wäre in hohem Bogen geschwindelt. Auch, dass es mir täglich so vorkam, als würde mir nichts mangeln, als wäre jeder meiner Schritte von Güte und Gnade begleitet. Erlebte ich anders. Und was „die stillen Wasser“ betrifft, sehnte ich mich wohl mehr danach, als ich an ihnen sitzen konnte. Es gab sie. Und das sind wertvolle Wohltaten nach überstandenem Sturm. - Ehrlich gesagt würde ich das Leben ziemlich spannungslos finden, wenn ich von einem stillen Wasser zum andern geführt würde … Aber nach durchgestandenem Sturm sind sie mir von Herzen willkommen!
In allem, was ich teilweise anders erlebte, als meine Kompassbeschreibung versprach, wurde mir häufig die Gnade geschenkt, Unverständliches stehen zu lassen. Ich wusste und glaubte meist, dass mein Kompass mir himmelweit überlegen und im Grunde seines Herzens durch und durch für mich ist. Wenn es sich auch äusserlich dann und wann anders anfühlte. Gefühle können täuschen. Tun es auch oft.
Es gab aber auch Zeiten grossen Enttäuschtseins, Phasen von Wut auf dieses winzig kleine „Ding“ in meinem Herzen, das mein gewählter Kompass war und noch immer ist. Lebenslänglich. Was mich bis heute verwundert ist, dass ich bisher kein einziges Mal bereut hatte, diesen Kompass – und dann noch auf ewig - gewählt zu haben. Noch sehr viel mehr stimmt es mich unendlich dankbar. Das ist wohl jene Güte, jene Gnade, von der in Psalm 23 die Rede und mir versprochen ist … Sie sind nicht jeden Tag und in jeder Stunde spürbar, erkennbar – und doch waren sie bis heute immer da. Trugen aus der Verborgenheit des Himmels wesentlich dazu bei, dass Tränen, Wunden und Schmerzen zu Samenkörnern wurden, aus denen ungeahnt Schönes am Wachsen und werden ist. Das ist für mich Gnade im Quadrat, durch die ich im Leben reifen kann. Durch die ich an den Widerständen des Lebens erstarke, nicht zerbreche. Auf solche Gnade bin ich durch und durch angewiesen. Jeden Tag neu. - In den Nächten des Lebens ganz besonders.
Je länger ich mit Jesus Christus unterwegs bin, desto besser verstehe ich, dass Er und ich die Begriffe Güte und Gnade (und viele andere) unterschiedlich füllen. Aus dem Bauch heraus verstand ich unter Güte und Gnade lange Zeit automatisch etwas, was in angenehmem, warmem, lieblichem Kleid daherkommt. Heute vermute ich sehr, dass Jesus den Fokus nicht wie ich aufs Daherkommen legt – sondern darauf, was aus dem Dahergekommenen an Seiner Seite werden kann, werden soll. Es komme angenehm oder unangenehm daher. Sanft oder hart. Manchmal ist es Sanftes, was mir zum Guten (was in Jesu Augen gut ist!) dient. Dann wiederum beschwerliche Wege, auf denen ich Wesentliches dazulerne. Auch das hat viel mit Güte und Gnade zu tun ... Ob sie mir passen oder nicht, die beschwerlichen Wege.
So seltsam es auf Anhieb klingen mag: Auch eine Krankheit kann in ihrem Kern der Güte und Gnade des guten Hirten entspringen. Nicht die Krankheit als solche – aber das, was sie bewirken kann in mir und vielleicht auch an Menschen um mich her. Jesus sieht immer weiter als bis zum aktuell Sichtbaren. Hat ganz gewiss gute Gedanken und Ziele mit etwas, das vielleicht sogar schrecklich daherkommt (Jeremia 29/11). An dieser Stelle fängt für mich Glauben und Vertrauen in Ihn an. An exakt dieser Stelle versage ich oft und zweifle Seine Güte an. Obwohl ich doch eigentlich weiss ... Aber das kratzige Gewand gefällt mir nicht ...
Bis heute waren Seine Gnade und Güte weit grösser als meine Zweifel. Ihm sei von ganzem Herzen Dank dafür!
Ich will dir danken, HERR, unter den Völkern,
ich will dir lobsingen unter den Leuten.
Denn deine Gnade reicht,
so weit der Himmel ist,
und deine Treue,
so weit die Wolken gehen.
Psalm 108/4-5
Kommentar schreiben