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Liebe, die bleibt

Mitten im Advent innerlich mit dem Kind in der Krippe unterwegs zu sein, tut mir so gut. Würde mich oft am liebsten neben es legen. Bleibe dabei nicht beim Kind stehen. Es wurde gross, erwachsen. Hatte Seinen ganz bestimmten Auftrag, die höchste Berufung, die je ausgeteilt werden konnte: Um meiner/unserer Unvollkommenheit und Gebrochenheit willen dem unfassbaren Leiden und der grossen Gottverlassenheit am Kreuz nicht auszuweichen – und schliesslich durch Seine machtvolle Auferstehung greifbar zu machen versuchen, dass mein ärgster Feind, der Tod, in Ihm überwunden, der Weg in den Himmel frei geworden ist. Frei für jeden und jede, der Ihm dafür von Herzen danken kann, weil der eigene Schuldanteil im Blick auf Jesu stellvertretendes Leiden und Sterben be- und anerkannt wurde.

 

Bin neu bewegt von dieser tiefen Wahrheit:

 

„Ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte. (Jeremia 31/3)

 

Ja, das gross gewordene Kind in der Krippe hört nie auf, mich zu lieben, ganz egal, was alles schon schief lief in meinem Leben. Das Schiefgelaufene ist ja gerade die Triebfeder Seiner Liebe zu mir, was sich selbstverständlich nicht auf mich beschränkt. Gilt allen Menschen genauso.

 

Christus weiss, dass wir ohne Seine zurechtbringende Liebe irgendwann irgendwo im Chaos unserer Orientierungslosigkeit und Rebellion landen. Die einen früher, die andern später. Die einen im milderen Chaos, die anderen im schier unerträglichen. Daran leidet Er unbegreiflich stark. Und dieses Leiden bewirkt in Seinem Herzen eine unvorstellbare Liebe zu uns, die leidenschaftlich nach dem Gestrandeten sucht, immer wieder neu, bis dieser sich (wie das verlorene Schaf) von Ihm endlich finden und fortan lebenslang herzen und zurechtbringen lässt. Seine ganz grosse Hoffnung, die Er nie aufgibt. Für uns Menschen schwerlich vorstellbar, weil wir in Beziehung zu unseren Nächsten so ganz anders ticken.

 

Wenn andere Menschen an uns versagen, uns verletzen, suchen wir im guten Fall nach dessen angenehmen, guten Seiten. Wir legen beides, das Angenehme und das Unangenehme, auf die Waagschalen unserer Waage. Sinkt die angenehme Schale nach unten, können wir uns oft dazu entscheiden, den Versager trotzdem zu lieben. Senkt sich hingegen die unangenehme Schale – sind wir meistens sehr schnell aufgeschmissen und an der Grenze unserer Liebesfähigkeit angekommen. Um lieben zu können – erst recht um trotz Versagen lieben zu können – sind wir auf positive Eigenschaften unseres Gegenübers angewiesen – oder eben auf die Freundschaft mit Jesus Christus, der uns lieben hilft. Ohne Ihn schreiben wir Menschen, die uns wehtaten, allzu schnell ab. Das unterscheidet uns um 180° von Jesus Christus. Bei Ihm sind wir nie abgeschrieben. Nie. Nur wir selbst können uns von Ihm „abschreiben“, in der Distanz zu Ihm bleiben. Im schlechtesten Fall ein Leben lang. Tut Jesus unfassbar weh. Nicht Seinetwegen.

 

Jesu Entscheid, den unvorstellbar friedvollen Himmel für über 30 Jahre zu verlassen, um als neugeborenes Kind in unsere von viel Leid geplagte Welt einzutauchen, als Mensch zu leben wie wir, restlos allem ausgesetzt zu sein, womit auch wir zu tun haben, hat rein nichts mit unseren Vorzügen zu tun. Wir sind Seine Geschöpfe, in grosser Sorgfalt und Liebe ausgedacht. Das allein gibt jedem von uns grosse Würde, die wir unterwegs durchs Leben fürs Auge sichtbar verlieren können. Im Herzen Jesu aber nicht. Diese Würde ist dort unverlierbar und bleibt. Klar, wenn wir uns verirrt habern, leiden wir. Machen Gott vielleicht noch Vorwürfe, Er hätte doch besser aufpassen können. Übersehen, dass Christus zutiefst leidet an unserem Leiden, unserer Ge- und Zerbrochenheit, unseren Schattenseiten – und all den vielen destruktiven Folgen davon. Weshalb? Weil dies ohne Begleitung durch Ihn früher oder später in der Sackgasse endet und den Weg zum Himmel, ins Reich des Friedens und der umfassenden Erfahrung von Liebe und Geliebtsein verbaut.

 

Da liegt Sein tiefer Schmerz. Sein grosses Leiden. Und das ist noch immer die Triebfeder Seiner abgrundtiefen Liebe zu uns. Liebe, die in jedem Abgrund zu erfahren ist. Denn bei Jesus sind Liebe und Leiden, so ahne ich, irgendwie identisch ... 

 

Er weiss längst, dass wir Seine Freundschaft nötig haben. Dazu zwingt Er uns nie. Liebe kann das nicht. Sie wäre keine Liebe mehr … Aber Er ringt unermüdlich darum, auf vielerlei Weise, uns die Herzensaugen dafür zu öffnen:

 

„Dich, Du geheimnisvolles Kind in der Krippe, habe ich im tiefsten Herzensgrunde dringend nötig. Wenn ich will, dass meine Not sich wendet und meine ewige Heimat der Himmel wird, dann komme ich ohne Dich und Deine zurechtbringende Liebe und Gnade nicht aus. Du bist so Not-wendig für mich. Ja, lass mein Herz zu einer Krippe werden, in die Du Dich legen darfst!“

 

Wir Menschen lieben bestenfalls trotzdem. Und das ist nicht nichts. Auch das ist eine Gnade. Aber es ist mondweit von Jesu Liebesfähigkeit entfernt. Jesus Christus liebt uns gerade wegen unserer Mangelhaftigkeit, unserer Fehler, unserer Schattenseiten, unserer Vergehen. Seien sie klein oder unfassbar gross. Er liebt dabei nicht sie – aber inmitten davon von ganzem Herzen UNS! Ungeteilt. Er liebt mich/Dich ALL INCLUSIVE! Jeden Tag neu. Er sieht über keinen meiner Mängel hinweg. Er weiss längst bestens Bescheid über sie. Lange vor mir. Doch nichts davon treibt Ihn in Distanz zu mir. Im Gegenteil,gerade deshalb entschloss Er sich, mich zu suchen. Er zählt auch nicht meine vermeintlichen Guttaten oder Potenziale und macht dann die menschliche Rechnung: Lohnt sich, lohnt sich nicht. So wie wir es tun. Wirkliche Liebe rechnet und berechnet nicht. Sie liebt einfach - unabhängig von äusserer oder innerer Verunstaltung und Umständen.

 

Das Kind in der Krippe verliess die beste, tollste Heimat: Den Himmel. Es ging Seinen Weg bis hin zum Leiden und Sterben am Kreuz, nur eines auf dem Herzen tragend:

 

„Mögen meine geliebten Menschenkinder doch endlich fassen und glauben, wie vollständig geliebt sie von mir sind. ALL INCLUSIVE. Nicht trotzdem. Mögen sie sich endlich an mein Herz und in den Himmel lieben lassen. Nicht meinetwegen …!“

 

Er gab restlos ALLES für mich/Dich. Mehr hat Er nicht als sich selbst. Er, der ein schuldloses Opfer für all unsere Versagen, Verletzungen und Unzulänglichkeiten wurde, weil wir damit nicht fertig werden können. Definitiv nicht. GNADE, unfassbar grosse, tiefe Gnade, Sein immerwährendes Liebesangebot.

 

Das folgende Lied von Albert & Andrea Frey-Adams liebe ich sehr. Bis auf ein einziges Wort. Das Wörtchen „trotzdem“. In meinem Herzen macht es unseren Gott so menschlich-klein. Wann immer ich das Lied singe – und ich singe es sehr gern – ersetze ich „trotzdem“ dadurch: „mit allem“. Anders kann ich es nicht singen.

 

https://www.youtube.com/watch?v=vfeFOZswmuM

 

Ja, Herr Jesus Christus:

Ich danke Dir, dass Du mich kennst und MIT ALLEM liebst.

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