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Oasenzeiten

Wie ich sie liebe – und wie ich sie brauche, meine Oasenzeiten am Morgen. Tankstellen des Tages oder fürs Tageswerk. Immer gleich losstürmen und pausenlos vorwärts schreiten, am Laufmeter neue Eindrücke sammeln, das verkrafte ich schlecht. Wer mich nur von Ferne kennt, vermutet schnell einmal eine Powerfrau in mir. Weit gefehlt! Und das Temperament kann täuschen. Wer intensiv lebt, verkraftet vielleicht halb so viele Anreize im Aussenleben wie der Durchschnittsmensch - und braucht doppelt so viel Raum fürs Innenleben, um mit dem Leben zurecht zu kommen. Das überschnelle Klick-Zeitalter macht es mir diesbezüglich nicht gerade einfach, mit meiner Schlagseite umzugehen. Doch die Schätze, die ich oft im Verborgenen hebe – in meinen Oasenzeiten und durch sie – möchte ich nicht missen.

 

Vor kurzem kam ich während einer Oasenzeit an einer interessanten Passage im 1. Korintherbrief, Kapitel 10 vorbei. Die Verse 1-13 erzählten mir viel mehr als dort zu lesen war. Es ist von der Wüstenwanderung (40 Jahre hat die gedauert …) der Israeliten die Rede. Im Speziellen davon:

 

Sie alle wurden mit den selben Gaben Gottes beschenkt, die alles für einen segensreichen Lauf durchs Leben beinhaltet haben. Vom Schöpfer und Versorger her war alles Nötige ausgeteilt, an jeden und jede, um aus diesen Gaben ein Leben zu gestalten, das andere Menschen (und damit auch sich selbst) erfreut und beschenkt. Die grundsätzliche Absicht oder Hoffnung unseres Erfinders, weshalb Er uns immer wieder neu reich beschenken will.

 

Er also hat Seinen Job allerbestens zu 100% ausgeführt. Fact. Heisst aber, wenn ich weiterlese, noch lange nicht, dass die Empfänger dieser guten Gaben diese dann auch nach Seinem Sinn annehmen, weiter verwenden und einsetzen werden … Das ist der entscheidende oder kritische Punkt im Umgang mit Geschenken. Nicht nur beim Volk Israel, das viele Irrwege ging. Da „denkt es“ plötzlich über mich nach:

 

WAS MACHE ICH AUS ALL DEM ANGEBOTENEN SEGEN, DEN GOTT MIR TÄGLICH NEU ENTGEGENSTRECKT?

  • Erkenne ich ihn und seine Qualität überhaupt?
  • Oder steht mir meine eigene Vorstellung von guter Gabe und Geschenk im Wege?
  • Bin ich offen für Gottes Prioritätenliste für mein Leben?
  • Oder beschäftige ich mich damit, Gott in meine Prioritätenliste hineinzuzwängen zu versuchen?

Es muss ja gar nicht ausschliesslich Gott sein, bei dem ich die angebotenen Geschenke völlig übersehen kann. Passiert genauso in Beziehung zu Menschen, die es gut mit mir meinen, auch wenn menschliche Gaben nie göttliche Vollkommenheit aufweisen können. Der stets neu kritische Punkt bleibt der selbe: Was machen wir Empfänger von guten Gaben schliesslich aus ihnen – sofern wir sie überhaupt wahrgenommen haben? Wie integriere ich sie in mein Alltagsleben?

  • Mir und anderen Menschen zum Wohl, zur Hilfe, zur heilsamen Weiterentwicklung?
  • Oder lasse ich sie wie einen ungebetenen Gast draussen im Regen stehen, weil entweder Gast oder Zeitpunkt mir nicht behagen - oder ich ihn in der Hektik meines Alltagsgetriebes gar gänzlich übersehen habe?

Anders ausgedrückt: Blockiere ich durch meine Vorstellung und fixen Vorgaben den möglichen Segensfluss für mich und mein Umfeld?

 

Bin überzeugt, dass ich während meines bisherigen Lebenslaufs schon an zahlreichen guten Gaben vorbeigehastet bin, sie total übersehen habe … Der Text in 1. Korinther 10 hat mir eines klargemacht: Gute Gaben allein helfen uns und unseren Nächsten nicht automatisch weiter. Es ist bei Licht besehen, IMMER der Empfänger, der entscheidet, was aus guten Angeboten und Geschenken werden wird – oder eben nicht. Verkenne ich das Gute oder lasse ich es unangetastet im „Tresor der guten Geschenke“ stehen, wirkt das an sich Gute noch lange kein Gutes in mir und in anderen Menschen. Stehenlassen und Übersehen kommt dem Verstopfen eines Kanals gleich, durch den das empfangene Gute weiterfliessen möchte …

 

Was immer ich ein Leben lang empfange, was immer mir widerfährt, es sei Gutes oder Böses: Nicht das Gute oder Böse bestimmt automatisch mein Leben und damit auch das Leben meiner Mitmenschen. Es sind letztlich immer meine Reaktionen, meine Antworten darauf. Will von Herzen gerne dazu Lernende bleiben …

 

Vorgestern verpasste ich das unscheinbare Gute nicht: Sammelte im Garten mit kindlicher Freude die vielen Schneckenhäuser zusammen, bevor der Frühlingsboden, dicht überwachsen, die kleinen Kunstwerke „verschluckt“. Wo sie alle hin sind, ihre Bewohner? Wie sie ihre Häuser bloss bauen? Hat mich das überhaupt schon einmal interessiert? Der Frage will ich nachgehen – überzeugt, dass ich neu staunen werde - über die Schnecken und ihren Erfinder!

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