Kapitel 2
"Jetzt müssen wir Würmer suchen und meinen Freund füttern, damit er nicht stirbt", meinte nun Vogelfreund nach ausgiebiger Phase des Staunens und Geniessens seines kleinen und sichtlich müde gewordenen Freundes fürsorglich.
"Ihr könnt auch auf Insektenjagd gehen, beiderlei frisst Piep-Matz gern", erklärte ich meinen Jungs - und schon suchten sie unsere Wiese nach Futter für Piep-Matz ab. Das allerdings stellte sich nicht als gar so einfach heraus. Philosoph entdeckte dann doch einen Regenwurm, wovon Piep-Matz ein kleines Stück gut hiess. Na ja, für's Erste soll es genügen; wie aber soll es weitergehen, damit der kleine Kerl nicht hungers sterben muss? Und wie ist das eigentlich mit seinem Wasserhaushalt? Wie soll seine Unterkunft aussehen? Fragen, die es zu bewegen und zu klären galt. Es wird wohl ratsam sein, dachte ich, demnächst einmal die "Vogelwarte Sempach" anzurufen, um fachmännische Tipps für unseren Untermieter einzuholen....
Endlich drängte es Philosoph doch noch in die Badewanne. Für einmal leistete ihm Freund Piep-Matz herzerfrischende Gesellschaft, wo doch sonst bei Teenies zu dieser Gelegenheit von Mitbewohnern keine solche mehr erwünscht ist! Aber, wenn man eben einen Vogel hat!
Fast eine Stunde lang genossen die beiden das Badevergnügen gemeinsam. Als ich dann anschliessend das Badezimmer betrat, verriet mir die sorgfältig platzierte, vom Badenden direkt zu beobachtende, mit Wasser gefüllte Glas-Seifenschale, dass da kurz vorher nicht nur ein Lebewesen in den Genuss eines Bades gekommen war! Es war offensichtlich: zwei Dinge machen erfinderisch: die Not genauso, wie die Liebe!
Bei solch unerwartetem, ein ganzes Geschichtchen einer jungen Freundschaft erzählendem Anblick war es schliesslich noch mein Herz, das baden ging - nicht in Wasser, auch nicht in der Badewanne oder dem allerneusten Vogelbecken; nein, ganz still für sich und "nur" innerlich - in herzerquickendem Freudenoel! "Piep-Matz, was bist du doch für ein sagenhafter Segen in unserem Haus! Ich hoffe fest, dass all die Liebe, die dir da zuteil wird, auch irgendwie ankommt in deinem Herzchen - auch dann, wenn wir dich vielleicht nicht immer so ganz artgerecht behandeln und versorgen. Dabei bleibt's: WIR LIEBEN DICH, jedes auf seine Weise. Einfach schön, dass es DICH gibt! Einfach schön, dass du DA BIST!"
Abends traf dann noch der ersehnte Anruf von Gefährte ein, der gerade in Stockholm an einer Fortbildung weilt. Selbstverständlich wurde auch er in unsere Piep-Matz-Geschichte eingeweiht, über die er sich von Herzen mitfreute. Er gab mir den sehr hilfreichen Tipp, beim Metzger Hackfleisch für unseren neuen Freund zu besorgen, was ich am folgenden Morgen tun wollte, falls Piep-Matz die Nacht überleben würde.
Als Nestersatz entschieden wir uns für einen flotten Henkelkorb, dessen Boden wir mit weichem Heu belegten. Darauf breiteten wir ein Küchentuch aus, in dessen Mitte wir nochmals ein kleines Häuflein Heu platzierten. Philosoph verbesserte unseren ersten Versuch merklich, indem er sich von seinem Schaffell trennte und dieses an Piep-Matz abtrat, der auf keinen Fall frieren sollte. Das Küchentuch wurde nun zu einer Wurst geformt und kreisförmig auf das Fell gelegt, so dass sich Piep-Matz in eine ihn bergende Nische legen konnte. Wärmer und weicher konnte unser Nestling nun kaum mehr liegen, fanden wir, bevor wir uns alle zur Ruhe legten.
Tatsächlich, am anderen Morgen hüpfte der Neuankömmling erstaunlich munter durch Philosophs Zimmer, in welchem er übernachten durfte. Noch vor der Schule kaufte er das Hackfleisch ein. Und siehe da: es mundete dem Sprössling prima. So wurde Piep-Matz künftig jede Stunde per Pinzette gefüttert. Diesen Job übernahm natürlich ich, da die Kinder Schule und Kindergarten besuchten. Meine Versuche, Piep-Matz mittels Spritze zu tränken, schlugen nicht befriedigend an. Die Wasseraufnahme musste noch eine bessere Lösung finden. Aber alles in allem schien es dem neuen Bewohner recht gut zu gefallen und zu gehen bei uns. Unbezahlbar, diese Freude.
Ein anderes Problem galt es auch noch zu lösen: wer immer etwas zu sich nimmt, gibt in Abständen ja auch etwas von sich.... Vögel gerade da, wo sie sitzen oder stehen! Selbstverständlich bin ich nicht scharf darauf, jeden Raum unseres Hauses biologisch-kreativ verziert zu haben. Ich wollte mich also für Piep-Matz auf einen Raum beschränken, der inzwischen nicht mehr so ordentlich aussieht, wie noch vor wenigen Tagen. Doch die ergötzlichen Erlebnisse sind es wert, diesen Un-Rat in Kauf zu nehmen, hoffend, auch noch auf den Rat zu stossen, wie dann im richtigen Zeitpunkt unser Büro wieder sauber gemacht werden kann. Aber so weit sind wir noch nicht. Piep-Matz macht noch immer ganz unvollständige Flugversuche und erst zögernd und allmählich macht er den Anschein, sich das Fressen auch einmal vom Boden aufzupicken. Gut Ding will Weile haben! Wir wollen unserem kleinen Schatz jene Zeit lassen, die er braucht.
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