Kaffeezeit mit Gefährte. Ich geniesse es – und ihn – und das Gespräch mit ihm. Danke, Herr. Es könnte auch anders sein. Keine Wohltat ist Selbstverständlichkeit. Vielmehr Gnade. Und dass Gespräche mit Gefährte eine Wohltat sind, auch. Ja, könnte alles anders sein ...
Er erzählte mir vom Sohn eines guten Bekannten. Ich ihm von Begegnungen mit Frauen und ihren Gedanken an einer kürzlichen Sitzung. Beides hängt irgendwie zusammen.
Besagter Sohnemann steht mitten in den herausfordernden Teenagerjahren. Ist kürzlich Lehrling geworden. Herausfordernd auf zwei Seiten. Es macht uns traurig und betroffen zu vernehmen – und das lange nicht nur aus dieser Ecke – wie unter jedem Hund Heranwachsende heute mit oder zu ihren Eltern reden. Mit oder zu ihren Vorgesetzten auch am Arbeitsplatz. Esel, Löli und Tubel wären heute schon nahezu Komplimente, wenn ich an die Derbheit und Scheusslichkeit heute oft locker gewählten Wörter denke, die Heranwachsende nach oben austeilen. Nicht dass ich meinen würde, alle Vorgestzten nähmen persönlich Abstand von diesem Vokabular. Leider ist dem nicht überall so. Schlechte Vorbilder. Nicht dass ich meinen würde, wir von der „Vorgesetzten-Generation“ würden in Beziehung zu unseren Heranwachsenden immer alles richtig machen. Oh, nein, da passieren viele Fehler, nicht nur kleine. Dennoch rechtfertigen unsere Fehler eine solche Derbheit, der jeder Funke Respekt entzogen ist, nun mal nicht.
Kein einziger Mensch wurde von perfekten Eltern erzogen. Niemandem, der noch Eltern werden wird, wird das perfekte Begleiten der jungen Generation gelingen. Darin sind sich Menschen einigermassen gleich. Auch wenn die Folgen unserer Mangelhaftigkeit, die Wunden also, die wir einander zufügen, ungleich gross oder klein sind. Ich bin an beidem schuldig geworden. Der einzige Weg, aus dieser Schuld zu kommen, frei von ihr zu werden, mindestens im Herzen Gottes, war das aufrichtige Bekennen an richtiger Adresse. Sehr empfehlenswert, wenn auch nicht die einfachste Lektion des Lebens. Sicher aber die lohnendste, die in die Freiheit des Herzens führt. Nicht nur des eigenen, wenn man verzeihen kann. An diesem Weg will ich so lange mein Herz schlägt, mit Gottes Hilfe festhalten. Wann immer und wo immer ich schuldig werde.
Nun stehn sie mir wieder vor Augen, diese unglaublich zerfetzenden, niederträchtigen Ausdrücke, die jener Junior seinen Eltern ins Gesicht schleuderte, als würde er grade mal sagen: „Bin dann heute Abend zum Essen nicht da“, ... Ich mag sie gar nicht in die Tasten tippen, diese giftigen Buchstaben, die sich zu schrecklichen Worten formen. Nein, sie haben solche Ehre nicht verdient. Gehört heute in (zu) vielen Familien zum guten – Verzeihung, oberschrägen Ton.
Gefährte und ich sitzen draussen am Gartentisch, während wir uns ernsthaft fragen: „Wie nur ist es so weit gekommen, dass dieser schräge Ton zum Alltag vieler Familien gehört heute?“ Und nun folgt meine Geschichte, die ich letzte Woche von einer Sitzung heimbrachte.
Einige Frauen hatten auf dem Herzen, mitten im Dorf ein Generationen-Café auf die Beine zu stellen, im Gebäude der neu erstellten Alterswohnungen. Freu mich sehr an dieser genialen Idee. Freu mich sehr, dass wir nächste Woche damit starten können. Auch daran, dass sich ans Café ein netter Raum für Kinder anschliesst, wo diese spielerisch ihre Zeit verbringen können, während Mama am Kaffee trinken und plaudern ist. Nun war Einführungssitzung für all jene, die mit anpacken wollen, dass dieses Projekt realisiert werden kann. Auch in der Kinderecke machten wir Halt und wurden instruiert. Klar, müssen doch wissen, was hier erlaubt ist und was nicht. Mehrmals hörte ich den Satz: „Was meint ihr, dürfen wir den Kindern sagen, wenn sie ...?“ Und an diesem Punkt krieg ich die Kriese! Frage mich: Wer ist da Diener, wer ist König? Meine das nicht herrschsüchtig. Es geht mir um eine stinknormale, klare Ordnung zwischen den Generationen. Um das klare Verständnis von Verantwortlichkeit und Kompetenz. Und das ist in diesem Fall zweifellos unser Part. Der Part der Vorgesetzten, die wissen und vertreten müssen, was okay ist und was nicht. Egal, ob wir damit den Kids oder ihren Müttern auf den Fuss treten oder nicht! Wer sagt wem was, wenn die Kleinen über die Stränge gehauen haben? Das tun sie. Haben wir auch gemacht. Ist normal. Nicht normal – oder nicht gesund ist, wenn wir Grossen uns dann, wenn das passiert fragen, ob wir den Kleinen sagen dürfen dass sie ... ?
Was wollen wir ihnen vermitteln? Unsicherheit oder Sicherheit? Dass sie die Prinzen und Prinzessinnen sind – wir ihre untergebenen Hofdamen? Oh, hab noch gar nicht gelernt wie ein Knicks eine korrekte Falle macht! Was brauchen sie, unsere Kinder? Das Gefühl: Die Grossen wissen nicht, was ihnen uns gegenüber erlaubt ist. Und: Ich bin König, alles richtet sich nach mir und meinen Bedürfnissen! Wenn’s nur für mich stimmt. Keine Sorge, ich werde für fast alles gefragt! Na dann drauf los mit wünschen und fordern, bis ihnen die Zähne wackeln ...
Und dann bin ich wieder beim Teenagersohn. Wenn wir wirklich aktiv dazu beitragen wollen, dass immer mehr junge Menschen ihren Eltern ungefähr so würde- und respektlos begegnen, wie dieser Lehrling und zu viele andere unter seinesgleichen, dann müssen wir wohl ganz früh damit beginnen – es sei in der Spielgruppe, im Kindergarten, in der Schule, im Verein, im Elternhaus usw. - , unsere Kinder fast alles zu fragen, müssen ihnen viel Gelegenheit geben, uns von ihnen bestimmen zu lassen, sie ganz früh zu kleinen Königen machen und damit aufhören - oder gar nicht erst damit anfangen, sie einigermassen sicher, liebevoll und klar ihrer Entwicklung entsprechend zu fördern, zu fordern, zu führen ...
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