Loslassen - eine Lebensaufgabe. Sobald die Nabelschnur zwischen Mutter und Säugling zertrennt wird, fängt es an, das grosse Lebensthema. Bis wir schliesslich uns selbst, das eigene Leben, loslassen und uns den Vaterhänden Gottes anbefehlen werden.
Dazwischen bekommen wir unzählig viele, ja abertausende von Loslassübungs-Gelegenheiten. Nicht jede dieser Übungen bestehe ich mit Bravour. Besonders jene nicht, wo mein Herz dran hängt. Das können ganz kleine Dinge sein. Wie ich es jüngst erlebte:
Vor bald einem Jahr war es mein tiefer Wunsch, auf unserer Israelreise einer Taube zu begegnen, die ich gern als Halsschmuck tragen würde. Nicht, dass ich auf unserer Israelreise nach nichts anderem mehr Ausschau hielt. Ich lief eher "zufällig" an eine heran, die ich mir allerdings kleiner gewünscht hätte. So ein grosses Ding passt doch nicht an meinen filigranen Hals, dachte ich. Ausprobieren, was für eine Gattung diese vergoldete Taube auf meinem Decolté macht, wollte ich trotzdem - und war höchst erstaunt, wie gut das schmucke Stück zu mir passte und umgekehrt. So kam sie mit nach Hause, meine Taube aus Jerusalem!
Ich trug sie oft, fast täglich. Die Taube und ich waren Freunde geworden. Hatte meine helle Freude an diesem Fund. Bloss nicht am Ekzem, das sich stets nach drei Tagen auf meiner Haut bemerkbar machte. Der Grund, weshalb ich mir schliesslich ein fast identisches Exemplar aus Silber anfertigen liess, das ich problemlos tragen kann.
Nun fragte mich kürzlich Sister, ob ich das vergoldete Täubchen noch brauchen würde ...? Und ich stand mitten in einer Loslass-Übung, die mir nicht so leicht fiel. Mich trennen vom Original. Der originalen "Taube aus Jerusalem"? Die darf ich wohl behalten. Vielleicht später einmal. Vielleicht dies, vielleicht das ... Alles mögliche liess ich mir einfallen, nur um mich nicht von meiner Taube trennen zu müssen. Ja, wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz!
Abends sprach ich mit Gefährte darüber und las ihm schliesslich noch ein englisches Gedicht vor. Mach ich oft vor dem Schlafengehen.
GIVE LAVISHLY, LIVE ABUNDANTLY
The more you give, the more you get
the more you laugh, the less you fret
the more you do unselfishly
the more you live abundantly
the more of everything you share
the more you'll always have to spare
the more you love, the more you'll find
that life is good and friends are kind
for only what we give away
enriches us from day to day.
Helen Steiner Rice
Am Ende des Gedichts war es Gefährte, der liebevoll zu sprechen begann: "Nun weisst du bestimmt, was du mit deiner Taube machen sollst ..."
Und ob ich das wusste! Sister hat eine riesen Freude dran. Ihre Freude ist längst auch bei mir angekommen.
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