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rumänischer Sonntag

Eindrücklich war das gestern, im Gottesdienst zu sitzen, mitten im Land und unter dem Volk meiner Söhne. Und dies an einem Muttertag! Jedenfalls zuhause in der Schweiz war Muttertag. Ich feierte einen sehr besonderen hier - still in meinem Herzen.

 

Ja, auf geheimnisvolle Weise gehöre ich zu diesem Volk hier. Weil Gott Geschichten schreibt, die ohne ihn nicht geschrieben würden. Spüre etwas von der grossen Geschichte, die Gott noch immer am Schreiben ist mit unserer herausfordernden Familiengeschichte. Es ist so wichtig, Ihn auch fortan Autor sein zu lassen. Das jetzige Kapitel erlebe ich leicht - auch wenn lange nicht alles, was mich hier bewegt, nur leichte Kost wäre. Die kommunistische Vergangenheit ist nicht einfach nur Geschichte heute. Begegne vielen Spuren dieser Prägung, auch wenn manches farbenfroher daherkommt, als ich dies vor 26 Jahren erlebte. Damals war ich zum ersten Mal in diesem Land.

 

Ich weiss noch gut, was ich damals ungefähr so in unseren Jahresbrief schrieb:

 

"Alles ist so Grau in Grau hier. Es ist, als wären Farben nicht für die Rumänen. Es liegt eine schwere Last auf diesem Volk. Regen passt gut dazu. Doch wenn die Sonne scheint, dann ist mir, als wäre was verkehrt dabei. Die Sonne, ein krasser Gegensatz zu allem, was mich hier sonst anschaut, passt einfach nicht recht in dieses Land ..."

 

Diese Schwere nehme ich nicht mehr in dieser aufdringlichen Offensichtlichkeit wahr, wie es damals der Fall war. Farben gehören nun auch hier zum Alltagsleben - Gott sei Dank. Manches ist auch sonst bunter und leichter geworden. Wie sehr ich das den Rumänen gönne. Dennoch kann Geschichte und Prägung nicht einfach mit einem Besen weggewischt werden wie Staub ... Weder in der Geschichte einer Nation, noch in der Geschichte eines einzelnen Menschenlebens.

 

Ich erlebe viel Schönes, Wertvolles. Lebe hier in einem Haus voller LIEBE und RESPEKT vom jüngsten bis zum ältesten Familienmitglied. Nicht nur lauter Minne und Harmonie. Das gerade ist das Echtheitszeichen der Liebe, der ich hier begegne. Folgendes berührt mich tief: Man könnte 100 angenehme Sachen aufzählen, die hier im Vergleich zu einem CH-Haushalt fehlen - es hat so keine Priorität mehr, wenn das Wichtigste in dieser Dichte da ist und lebt: lebendige Liebe zum dreieinigen Gott und zu einander. Bin sehr berührt und tief dankbar, hier zu sein.

 

Wo ich untergebracht bin? Weisse Lilie hat mir ihr Zimmer bereitgemacht und grosszügig zur Verfügung gestellt, während sie sich das Zimmer nebenan - und ein kleines Doppelbett - mit Grossmutter teilt. Selbstverständich für sie. Was für eine Ehre, in ihrem Zimmer wohnen, in ihrem Bett schlafen zu dürfen. Da, wo sie viel für Schule und Ausbildung gearbeitet und ebensoviel gebetet hat. Jahrelang, bevor ihr Weg sie nach Helvetien führte.

 

Zurück zum Gottesdienst: Hier muss er nicht nach 75 Minuten zum Schlusspunkt gekommmen sein. Läuft hier einiges entspannter als in meinem Heimatland, was mir sehr sympathisch ist. Berichte von anderen Menschen haben Platz, gehören dazu, werden sehr geschätzt und beleben den Gottesdienst und die Herzen der Anwesenden. Ein kurioses Erlebnis für mich: Wir starteten hier mit dem Gottesdienst eine halbe Stunde früher als zuhause und waren eine halbe Stunde später fertig Lächeln. Mir war das nicht zu lang - obwohl ich sprachlich nicht alles mitbekommen habe. Nachmittags folgte Gottesdienst-Runde 2. Spannend, einen traditionellen Sonntag zu erleben. Diesmal wurde viel gesungen, was mich sehr berührte. Ein weiser, betagter Pastor hielt die Predigt zu den sieben Wundern Jesu im Johannes Evangelium. Sehr eindrücklich und tief. Auf Dauer, das gebe ich zu, wären mir zwei Gottesdienste am Sonntag zuviel. Doch der eine, der gefeiert wird, dürfte locker und gern länger dauern als gewohnt.

 

Danach hatten wir noch etwas Schönes vor: Wir wurden als ganze Familie in eine Art "Ballenberg-Museum" ausserhalb von Sibiu entführt, wo wir uns gemütlich tummelten. Leider konnten wir kein Haus von innen betrachten. Rumänen machen hier sonntags Pause. Ich hab es dennoch genossen und die Häuser halt von aussen bestaunt.

 

Heute Morgen haben wir zu dritt und zu viert viel Leben geteilt im Zentrum des Hauses, der Küche. So bereichernd, gegenseitig.

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