Seit Wochen tappten wir im Dunkeln. Jedenfalls im Eingangsbereich unseres Hauses, dem auch kein Fenster zugedacht ist. Unsere Lampen streikten, und Glühbirnen haben wir ungewöhnlich viele verbraucht. Ob’s an den Trägern des Lichts lag? Keine Ahnung. Auch im Schlafzimmer war die Frage nach guter Beleuchtung noch immer nicht lesefreundlich genug gelöst. Ein Stromer musste her. Ein Elektriker meine ich, der sich dieser Sache engagiert annahm. Gefährte und ich suchten im Vorfeld geeignete Lampen aus und sehnten uns mehr und mehr auf die Zeit, in der wir uns Schuhe und Jacken nicht mehr in der Dunkelkammer anziehen mussten. Und im Bett schattenfrei lesen zu können, davon träumte ich schon lange.
Freitags war es dann soweit. Stromer, ein sehr freundlicher junger Mann, traf mit all seinem Drum und Dran pünktlich nach dem Mittagessen bei uns ein. Allein dadurch, so schien es mir, war es in unserem Haus bereits heller geworden ... Engagiert ging er an seine Arbeit. Bald nach seiner Ankunft traf Seerose ein. Meine afghanische Freundin, mit der zusammen ich ans Zwirbel nähen ging (siehe kleines Bild). Seerose wird die Zwirbel für ihr Töchterchen nähen, ich für meine Patenmädchen in Uganda, die ich diesen Winter erneut besuchen werde. Diesmal zusammen mit Gefährte! Auch weisse Lilie war zuhause, und Stromer schien etwas verwundert darüber zu sein, dass ich gleich zwei Frauen im Haus hatte, mit denen ich mich in Hochdeutsch unterhielt.
Als Stromer fertig war, führte er mir sein gelungenes Nachmittagswerk vor, an dem auch ich meine HELLE Freude hatte. Wow, wenn gutes Licht ins Leben kommt, sieht wirklich alles anders aus! Darf auch gerne metaphorisch verstanden werden. Stromer füllte das Arbeitsprotokoll aus, gab es mir zum Unterschreiben und fragte schliesslich sehr interessiert: „Darf ich fragen, sind Sie Lehrerin? Religionslehrerin? Kennen Sie in Domat Ems Frau XY?“ Ich wunderte mich: „Ja, ich war Lehrerin, hab zum Schluss meiner Berufsjahre als Heilpädagogin gearbeitet, aber Frau YX kenne ich nicht. Wie kamen Sie drauf, in mir eine Lehrerin zu sehen?“, nahm es mich wunder. „Na, irgendwie sieht man das den Menschen schon ein wenig an – und – es liegen bei Ihnen überall Bibeln. Da dachte ich, Sie könnten Religionslehrerin sein.“ Fand es irgendwie goldig, wie er spannende Schlüsse zog und meinte dann: „Ja, das stimmt, die Bibel ist ein Buch, das uns viel bedeutet. Kennen Sie sie auch?“ Bereitwillig und ohne jede Spur von sonstiger Schweizer Peinlichkeit erzählte Stromer: „Ja, ich habe in der Rekrutenschule mal angefangen darin zu lesen. Kam aber nicht sehr weit.“ „Wo haben Sie mit Lesen begonnen?“, interessierte es mich, „im neuen oder alten Testament?“ „Weiss nicht genau, es war immer wieder die Rede von: dieser zeugte den, und jener zeugte diesen. Fand ich nicht so spannend, ehrlich gesagt.“ Wie gut ich ihn verstehen konnte. „Sie haben im Alten Testament gelesen. Das ist für den Anfang nicht die idealste Wahl. Das Neue Testament ist für den Neuleser viel spannender. Vielleicht wollen Sie es dort einmal versuchen? Lesen Sie doch einmal sorgfältig die vier Evangelien – Matthäus, Lukas, Markus und Johannes – und bewegen Sie lesend diese eine Frage: „Was könnte das mit mir und meinem Leben machen, wenn tatsächlich wahr ist, was Jesus Christus alles darin sagt?“ Stromer hörte interessiert zu. „Haben Sie eine Bibel“, fragte ich. „Ja, und im Militär habe ich sie immer dabei. Bald muss ich wieder in den Wiederholungskurs. Da habe ich Zeit zum Lesen.“
Über diese Begegnung habe ich mich riesig gefreut! Endlich wieder einmal ein Schweizer, der nicht nur Beobachtungen macht, sondern den Mund öffnet und Fragen stellt zum für viele Schweizer oberpeinlichen oder dann über-ober-privaten Thema "Glaube und Bibel". Ja, dass dem sympathischen jungen Mann beim Lesen des Neuen Testaments ein einschneidendes LICHT aufgehen möge, das wünsche ich ihm von ganzem Herzen. Das Licht der Welt eben. Auch Stromer brauchen es, um hell und klar zu sehen - weit über ihren Wirkungshorizont hinaus.
Song "Licht dieser Welt":
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