Die fuchsia-farbene Rose, die mir weisse Lilie am Flughafen nach sicherem Flug zum frohen Empfang mitgebracht hatte, schaut mich noch immer in königlicher Gebärde an. Nicht mehr gar so frisch, wie eine Woche zuvor. Ja, wir sind wieder zuhause angekommen. Äusserlich jedenfalls. Das innere Ankommen fällt auch Gefährte nicht so leicht, wie erwartet. Bereits vergangenen September erlebte ich es ziemlich herausfordernd, den Sprung zwischen Uganda und der Schweiz zu machen. Interessanterweise fiel mir nun beide Male der Sprung „Schweiz – Uganda“ leichter als umgekehrt. Das mag an den vielen und sehr unterschiedlichen Erlebnissen, Erfahrungen, Beobachtungen und Begegnungen mit Menschen und Tieren liegen, die wir ja alle mit nach Hause gebracht haben. Gepäck, das in der Koffer kein einziges Gramm wiegt – im Herzen jedoch manchmal viele Kilogramme. Schönes genauso, wie sehr betroffen machendes. Braucht Zeit, dieses innere Sortieren, das gemeinsame darüber nachdenken und weiter bewegen.
Im Blick auf den blinden Patensohn ist Gefährte bereits mit Nachforschen bei der Christopher Blindenmission beschäftigt, die in Uganda auch vertreten ist. Freut uns. Das ist ein Beispiel von mehreren persönlichen Schicksalen, denen wir begegnet sind, die uns weiterhin beschäftigen. Menschen in Not, die wir auch in unsere Gebete einschliessen und uns daneben zeigen lassen wollen, was vielleicht wo noch ein konkreter Auftrag an uns rein äusserlich verwöhnte „Maden-im-Speck-Schweizer“ sein könnte? Also: Welches sind jene Menschen, die Gott uns in irgend einer Fragestellung ans Herz legen möchte.
Eine meiner lieben Afrikanerinnen, die ich bereits im August kennen- und sehr schätzen lernte, hat seit vielen Monaten als Folge eines Knöchelbruchs extrem starke, anhaltende Beinschmerzen, die sie peinigen. Gefährte fragte genau nach, was ihr widerfahren sei und was medizinisch bereits unternommen wurde? Seiner Vermutung nach ist beim Zusammenwachsen der Knochen ein Nerv miteingewachsen, der dringend befreit werden müsste. Hier in der Schweiz keine grosse Sache. In Uganda aber nicht bloss rein medizinisch eine sehr viel grössere Hürde, die meine dunkle Freundin bisher nachhaltig von der Schmerzbefreiung trennt. Passiert das nicht, muss sie sich damit abfinden, mit ihren noch nicht 30 Jahren für den Rest des Lebens diese verrückten Schmerzen zu ertragen, mittels Tabletten ihn täglich etwas zu lindern versuchen, ihren Job aufgeben und hoffen, es finde sich irgendwo etwas Passenderes, womit sie ihren Lebensunterhalt verdienen kann. Auch dies: In Uganda unvergleichlich viel, viel schwieriger als in der Schweiz. Menschlich betrachtet ziemlich aussichtslos. – Gleichwohl erlebten wir viele Afrikaner entschieden fröhlicher, dankbarer, als uns Schweizer. Glück wächst offensichtlich nicht von aussen nach innen. Wächst umgekehrt. Und dafür, dass es innen landen kann, ist jeder und jede, es seien Afrikaner oder Europäer, wohl selbstverantwortlich. Die Frage, wer oder was unser Herz bewohnt - Dankbarkeit oder Forderung, Fürsorglichkeit oder Selbstbezogenheit, Liebe oder Hass, Vergebung oder Rache, Demut oder Stolz, Licht oder Dunkelheit – beantwortet jedes Menschenkind selber. Vermute, wer keine bewusste Entscheidung für den ersten Begriff jedes aufgeführten Paares trifft, steht in grosser Gefahr, dem zweiten Begriff zum Opfer zu fallen. Klammheimlich. So wie ein selbstlaufendes Programm. Denn wem fallen schon, ohne bewusste Wahl, Dankbarkeit, Fürsorglichkeit, Liebe, Vergebung, Demut (die bereit ist, auf eigene Rechte zu verzichten), und Licht in den Schoss? Sie alle sind nicht einfach tolle Werte oder vorbildliche Haltungen. Sie alle sind wesentliche Persönlichkeitsanteile dessen, der uns erschuf und mit der Kostbarkeit des Lebens beschenkte. Er IST das alles - und noch viel mehr. Alle andern Begriffe dagegen zeichnen Gottes Gegenspieler aus. Der eine von beiden ist der Gentleman aller Gentlemen: Jesus Christus. Ein total loslassender Schöpfergott, der nie auch nur irgendwem das Gute überstülpen würde. Immer bietet Er das wirklich Gute an, auf vielfältige Weise, ideenreich, unser Leben lang – doch immer ganz bescheiden und absolut frei. Hochanständig, wie nur Jesus Christus es sein kann. Er ist der Anstand selbst. Und Er weiss: Echte Beziehung basiert auf völliger Frei-willig-keit: „Ich liebe dich – und du bist ganz frei, mich auch zu lieben oder zu hassen.“ Immer gewährt Er den Angesprochenen diese immense Freiheit, die mich total beeindruckt. Von der ich lebenslang lernen möchte. Ohne diese Freiheit ist echte Beziehung unmöglich. Forderungen und Ansprüche an den andern sind zwei klassische Mörder von Beziehung.
Jesu Gegenspieler ist das krasse Gegenteil: Diktatorischer Machthaber, leidenschaftlicher Kontrolleur, überaus versierter Manipulateur, dem es völlig egal ist, ob es uns Menschen passt, z.B. mit Undankbarkeit und uferloser Forderungssucht beliefert zu werden. Ist ihm auch total wurscht, ob uns seine aufgezwungenen Grundhaltungen ins Verderben treiben (ist ja, nebenbei erwähnt, sein oberstes Ziel), die auch nicht selten gute Beziehungen kaputt machen. Von der Wurzel her. Er zwingt uns ruchlos auf, was zerstört, hat nie was Konstruktives auf Lager – auch wenn es möglicherweise ein halbes Leben lang danach aussehen mag. Clevere Täuschungsmanöver, die allein in Jesu Gegenwart entlarvt werden können. Doch diese Gegenwart zwingt Jesus, wie gesagt, keinem auf. Bietet sich immer und immer wieder an. Liebe riskiert, dass der Geliebte ins Chaos läuft. Und Liebe weiss, dass vielen Menschenkindern erst an jenem Punkt, den sie gerne verhindert hätte, die Herzensaugen aufgehen und dann frei und willig nach Jenem gerufen wird, der sich seit Jahren danach sehnte, zu retten, zu befreien, zurechtzulieben, zu beschenken mit Lebenssinn, mit Licht, Freude, Frieden und viel mehr. Es aber nie tut, ohne gebittet zu werden. Der Respekt vor dem eigenen Willen jedes Menschen ist bei niemandem so unbestechlich gross, wie beim Schöpfer selbst. Das bewundere ich überaus an Ihm.
Manch ein Afrikaner, dem wir begegnet sind, nähert sich Gott müheloser, vertrauensvoller, als wir „Maden-im-Speck-Kinder“. Vermute, dass, falls uns vielleicht mal einiges vom noch vorhandenen Speck entzogen würde, Gott auch für uns wieder wichtiger werden könnte. Entzug von Angenehmem, damit unsere Herzensaugen für’s wirklich Wesentliche des Lebens offen werden, ist nicht Gottes Wahl. So leicht schieben wir Ihm das in die Schuhe (obwohl ich nicht weiss, ob Er welche trägt). Der Vater im Himmel ist auch in allerbesten Zeiten von Herzen gerne bereit, unser bester Weggefährte und Kompass zu werden – bloss leider die wenigsten Menschen auf Erden.
Menschen, vor allem Kinder, hat es Unmengen in Uganda. Wo immer das Auge hinschaut: Kinder, Kinder, Kinder! Viele sind halb oder ganz verwaist. Kommt man zurück in die Schweiz, fragt man sich sehr schnell: „Wo sind eigentlich unsere Kinder? Gibt es überhaupt welche?“ Der Unterschied ist so krass.
Wir sind glücklich, auch meine beiden Patenmädchen, die Gott sei Dank beide in Familien leben, besucht zu haben. Es war wieder ein sehr eindrücklicher Tag der Begegnung, der unsere Herzen sehr bewegt hat. Ja, die Patenschaftsvermittlung von „Compassion“ können wir sehr empfehlen. Langbewährte, weltweite Organisation, durch die viele Kinder Schulbildung, medizinische Versorgung und wertvolle Erziehung geniessen können. Gerade ist ihre neue website fertig geworden. Mal reinschauen?
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