Es war letzten Donnerstag. Ich meinte schon, im falschen Kopiergeschäft (nicht falschen Film) gelandet zu sein. Denn weil ich nicht mit einer Pdf-Datei erschien, ergab das für mich aus mehreren technischen Gründen drei Fahrten in die Stadt. Am selben Tag. Dabei erhoffte ich mir im Voraus, eine einzige würde genügen, wenn ich es klug anstellen würde, was offensichtlich nicht der Fall war. Stand mitten in den Vorbereitungen für mein zweites Jubiläums-Geburtstagsfest und Zeit war nicht gerade überfliessend vorhanden. Alle „hätte-ich-doch-Optionen“ legte ich besser stracks beiseite. Ziehen nie nach oben. Wirken selten arbeitsbeschleunigend.
Als ich dann zum dritten Mal bei der freundlichen Geschäftsleiterin vorbeikam, um endlich meine Geschichte multipliziert kopiert abzuholen, überraschte sie mich: „Darf ich fragen, hat ihre Geschichte mit dem "Hütte-Film" zu tun, der grad im Kino läuft?“ Ohne Zweifel, mein gewählter Titel brachte sie auf diese Idee: „Jeder trägt eine Hütte“.
Ja und nein, erklärte ich bereitwillig und erfreut, auch über die Wahl des Titels. Wir alle tragen solche Hütten-Geschichten mit uns herum, fuhr ich weiter, wie Mackenzie im Hütte-Film es tat. Geschichten, die uns im Innersten verletzten und unser Verhalten, unsere Reaktionen auf alles, was wir erleben irgendwie mitprägen. Nicht immer sehr günstig. Geschichten, von denen viele Menschen grosse Scheu haben, sie mit anderen zu teilen, bedauerte auch mein Gegenüber. Wir verstecken sie so oft. Vor uns selbst, oder zumindest vor anderen. Die Hütte, ein Bild für unsere Seele, in der viele Erfahrungen wohnen. Und von so einer Schmerzerfahrung handelt meine Geschichte, die ich abholen komme, sagte ich der Geschäftsleiterin. Im Nu waren wir unerwartet in ein sehr persönliches Gespräch vertieft, über das ich mich bis heute herzlich freue. Ein Gespräch über das volle Leben, über Gott und seine Sehnsucht nach Seinen tief geliebten Menschen und anderes mehr. Über ihre Schmerzen, über meine Schmerzen. Hatte gar keinen Eifer mehr, so schnell wie möglich nach Hause zu kommen. Irgendwie würde es mit meinen Festvorbereitungen schon gut kommen. Etwas Geplantes weglassen zu müssen, wäre auch keine Katastrophe. Ein so beherztes Gespräch hier in diesem Kopiergeschäft ist nichts Alltägliches, und dafür wollte ich mir jetzt Zeit nehmen. Es machte richtig Freude, alle kopierten Blätter hier im Laden am grossen Arbeitstisch – nicht zuhause - zu einem Büchlein zu falten, weil es so kostbar war, das angefangene Gespräch weiter zu führen. Auch über das Buch „Die Hütte“, welches meine Gesprächspartnerin bereits gelesen hatte. Ich machte ihr Mut, sich doch auch den Film noch anschauen zu gehen. Nach rund 20 Minuten sehr persönlichen Austauschens waren wir einander erstaunlich nahe gekommen. Bin schon ein paar Jahre Kundin hier und überwältigt, was diese einen 20 Minuten persönlichen Gesprächs für eine Veränderung in Beziehung zu einem Menschen bewirken konnten, den man bisher nur vage dem Namen nach kannte. Über Jahre. Mir ging auf, wie leicht ich die Möglichkeit zu diesem wertvollen Gespräch hätte verpassen können! Hätte die Frage meines Gegenübers ja einfach so beantworten können: "Ja, ein wenig hat die Geschichte mit dem Hüttefilm zu tun. Punkt."
„Wenn Sie wollen, dürfen Sie meine Geschichte gerne lesen“, meinte ich, kurz bevor ich mich von meiner spannenden Gesprächspartnerin verabschiedet hatte und ans Heimfahren dachte. Darauf würde sie sich sehr freuen, war ihre spontane Reaktion.
Unbeschreiblich glücklich über eine anfänglich nicht gerade glücklich aussehende Kopiergeschichte fuhr ich schliesslich nach Hause. Das letzte Mal an diesem aufwändigen Tag. Wie lohnend dieser Aufwand war! Im falschen Geschäft gelandet? Von wegen! Perfekt war die Wahl!
Richtige Einsichten kommen oft im Bummelzug daher ...
Sieh die Sterne hoch am Himmel, Hans-Joachim Eckstein:
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