Ich habe versprochen, bald auf die Grundbedürfnisse eines Säuglings und Kleinkindes einzugehen, und die möchte ich heute gerne nennen. Persönlich bin ich überzeugt, dass das werdende Kindlein nicht erst nach seiner Geburt solche Bedürftigkeit spürt und hat. Was für ein absurder Gedanke, 10 Tage vor Geburt hätte es diese Bedürfnisse noch nicht ... Genauso absurd zu meinen, 80 Tage davor oder 150 Tage bevor es das Licht der Welt erblickt, sei es noch kein bedürftiges Wesen. Es ist kein Klumpen Irgendwas. Es ist ein Menschlein am werden. So wird es jedem Embryo guttun, wenn er die Zeit der Schwangerschaft, so gut es sich eben einrichten lässt, einigermassen stressfrei und ruhevoll erlebt. Das werdende Kindlein beachtend, mit dem Herzen willkommen heissend, mit ihm redend. Ja, wirklich, das wird ihm guttun. Ich betone bewusst das Adjektiv "einigermassen", weiss ich doch, wie ein Leben nicht in den Griff zu bekommen ist. Wie es uns immer wieder mit harten Erfahrungen und Schicksalsschlägen überrumpeln kann, die in uns Stress und Unruhe bewirken. Es geht mir stets um das "gut genug" sorgen und besorgt sein - nie um eine Perfektion. Die können wir alle zum Vornerhein vergessen und am besten streben wir sie gar nie an. Es geht mir um eine fürsorgliche Grundhaltung dem grossen Wunder eines neu geschaffenen Wesens gegenüber, das es nur einmal gibt in der ganzen Menschheitsgeschichte. Gewaltig, nicht wahr! Ein wunderschönes "Häuflein Leben", ein Herzfäserchen Gottes, das mitten aus dem universumsgrossen Vaterherz Gottes auf die Erde plumpst (natürlich in einen bestimmten Mutterleib hinein). Ein noch nie dagewesenes Menschlein, sobald Ei und Same in diesem Leib, der ersten Kinderstube, Hochzeit gefeiert haben. Ab diesem Zeitpunkt ist es vollwertiger Mensch. Es verändert sich nun lebenslang der äusseren Erscheinung nach. Bis ins Greisenalter. Opa oder Oma wären nicht die geworden, die sie wurden, ohne dieses erste, stille Hochzeitsfest von Same und Ei im Mutterleib. Sie waren oder sind noch immer ein Mensch am stetigen Werden, bis zum letzten Atemzug.
Oft haben mir meine Schüler erzählt: "Papa und Mama haben mich gemacht!" Ich war anderer Meinung. Mann und Frau können keine Menschen machen. Sie können sich nur in der günstigsten Zyklusphase einer Frau so verhalten, dass Gott ein neues Leben schaffen und schenken kann. Eltern wünschen sich ein Kind. Gott aber schaffft beherzt dieses eine neue, einzigartige Menschlein, das Er bereits bestens kennt und voll und ganz Ja zu ihm sagt. Auch dann, wenn es vielleicht einem Elternteil aus irgendeinem Grund nicht gelingt. Habe viel Verständnis dafür, dass das in verschiedenen Umständen keine leichte Aufgabenstellung ist. Aber Sein JA bleibt das ganze Leben lang über jedem Menschen unveränderlich bestehen. Gnade. Doch wer weiss und glaubt das noch?
Aus Davids Psalm 139:
14 Ich danke dir, dass du mich so herrlich und ausgezeichnet gemacht hast! Wunderbar sind deine Werke, das weiß ich wohl.
15 Du hast zugesehen, wie ich im Verborgenen gestaltet wurde, wie ich gebildet wurde im Dunkel des Mutterleibes.
16 Du hast mich gesehen, bevor ich geboren war. Jeder Tag meines Lebens war in deinem Buch geschrieben. Jeder Augenblick stand fest, noch bevor der erste Tag begann.
17 Wie kostbar sind deine Gedanken über mich, Gott! Es sind unendlich viele.
Ja, unser Schöpfer ruft immer eine bestimmte und von Ihm durch und durch gewollte Persönlichkeit ins Leben, die den angehenden Eltern anvertraut und wohl auch zugetraut wird. Selbst dann, wenn man es vielleicht auch mal als Zumutung erleben sollte. Er ist der grosse Zutrauer von uns, der uns auf dem Begleitungsweg beistehen möchte, wo immer wir Ihn miteinbeziehen.
Und dieses einmalige Geschöpf hat Grundbedürfnisse, die von seinen ersten Bezugspersonen gut genug gedeckt werden soll(t)en, damit es sich eingermassen schöpfungsgemäss, einigermassen gesund also, entwickeln kann. Wenn ich mich bei verschiedenen Entwicklungspsychologen etwas herumlese (und an die eigenen Bedürfnisse denke), komme ich in etwa auf folgende Grundbedürfnisse, die keine Vollständigkeit beanspruchen:
Grundbedürfnisse des Kleinkindes
1. Das Bedürfnis nach Liebe, Akzeptanz und Willkommensein
2. Das Bedürfnis nach Sicherheit und Schutz (körperlich, geistig und seelisch)
3. Das Bedürfnis nach Bestätigung und Beachtetsein
4. Das Bedürfnis nach stabiler und unterstützendener Gemeinschaft
5. Das Bedürfnis nach Expansion (schrittweise die Welt entdecken)
6. Das Bedürfnis nach entwicklungsgerechten Erfahrungen (mit allen Sinnen)
7. Das Bedürfnis nach Grenzen und Strukturen (innerhalb nötiger Freiheit)
Keine Ahnung, wie es meinen Lesern beim Nachdenken darüber geht? Sind dies nicht im Wesentlichen Grundbedürfnisse, die auch wir "Grossen" noch immer kennen? Die auch unsere Bedürfnisse beschreiben und es bleiben? Mehrheitlich denke ich schon. Wenn dem so ist, dann ist es umso wichtiger, das uns Bestmögliche zu investieren, damit diese Grundbedürfnisse bei den uns anvertrauten "Kleinen" gut genug gestillt werden können, damit sie sich recht gesund zu eigenständigen und gestalterischen Menschen entwickeln können. Denn am Anfang des Lebens werden die Fundamente gelegt! Auf schiefen Fundamenten weiter aufzubauen, ist eine sehr, sehr herausfordernde Aufgabe. Allein schon beim Hausbau. Wieviel mehr erst recht bei Lebenshäusern!
Ich möchte diese Auflistung nun einfach mal einige Tage so stehenlassen, bevor ich näher auf die einzelnen Punkte eingehen werde. Möchte uns allen Gelegenheit zum Nachdenken geben, wie diese Grundbedürfnisse uns dann in der Begleitung unserer Kleinen in Verantwortung nehmen? Wie sie gut genug gestillt werden können? Was es dabei zu tun und was vielleicht zu lassen gibt? Klar ist, dass Kinder keine Projekte sind, die ganz gut noch so nebenher laufen können. Es sind Kostbarkeiten, die ohne Ausnahme wie rohe Diamanten zur Welt kommen. Geheimnisvolle Schätze bergend. Noch roh, die aber facettenreich werden und sich step by step in strahlende Diamanten verwandeln und entfalten sollen. Ziel und Hoffnung des Schöpfers. Immer. Das ist ihnen nicht aus sich selbst heraus möglich ... Es muss von anderen aus ihnen herausgeliebt werden, was ihr Erfinder an Gutem in sie hineingelegt hat. Und das hat Er bei jedem getan.
Martin Buber schreibt: "Der Mensch wird am Du zum Ich."
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