... und erlebte bereits das zweite Wochenende einen nirgends käuflichen, mir schleichend abhanden gekommenen Luxus! Ausserdem kamen Gefährte und ich dadurch gestern zu einer bezaubernden, völlig ungestörten und laaangen Geschichten-Hörzeit in unserer guten Stube. Selbstverständlich fehlte die Tasse Tee nicht dabei. Kam so, weil ich mich dazu entschied, mein Handy von Samstag-Abend bis Montag-Morgen in den Tiefschlaf zu schicken. Vollkommen offline. Total aus war diese technische Nabelschnur. Wie gut das tat, lässt sich schlecht beschreiben. Die alte Qualität Wochenende kehrte zurück. Wer es ausprobiert, dem erschliesst es sich. Will unbedingt lernen, mit und ohne moderne Technik zu leben. Das „Sowohl-als-auch“ zu berücksichtigen. Beidem seinen Platz in meinem Alltag zu geben. Einfach nicht zuzulassen, dass die neuen Medien die Regie über meinem Leben zu übernehmen beginnen.
Doch eigentlich bin ich mit den Grundbedürfnissen des Kleinkindes beschäftigt. Abgeschweift? Nein! Denn während Gefährte und ich total vergnügt, oft lauthals lachend den witzig-heiter-ernsten Geschichten von Eckhard zur Nieden folgten, sah ich mich plötzlich zurückversetzt in meine Kindheit, in der Geschichten unverzichtbarer, mich reich beschenkender Teil waren. Von klein auf. Und mit einem Mal fand ich, die Hörspiel-Sammelbox „Die drei vom Ast“ sei ein ultimativer Tipp für Omas und Opas, Patentanten und Patenonkels, für Mamas und Papas, die ihren Kleinen zur Weihnacht gerne ein richtig gutes Geschenk machen möchten (rund 20 Stunden Spieldauer; EAN: 9783417287325). Ich versprech’s: Keine Autofahrt kann zu lang und schon gar nicht langweilig sein, wenn „die drei vom Ast“ auch mit dabei sind! Jede Geschichte wird von einem herzerfrischenden Lied abgerundet. Zum Trio gehört ein Eichhörnchen, eine Elster und eine Eule – mit ebenso aussergewöhnlichen Namen, wie es die Geschichten sind. Der Orell-Füssli-Verlag bietet diese Box für gut 45.00 Fr. an. Gibt übrigens auch ein Vorlesebuch!
Natürlich ersetzt diese Sammelbox das persönliche Geschichten erzählen nicht. Vorlesezeiten mit seinen Liebsten – wer diese Familienkultur pflegt, sorgt auf lockere Weise für viele sehr gute Erinnerungen im Herzen der anvertrauten Jungmannschaft und regt sie automatisch dazu an, zuhörend ihren eigenen Film zu drehen! In vielen Klassenzimmern ist das Vorlesen leider aus der Mode gekommen, und ich befürchte, auch in vielen Familien. Jammerschade. Ein richtig grosser Verlust. Sowohl für die Kinder, als auch für ihre zu erwachsenen Erwachsenen. Man darf das eigene innere Kind nicht begraben, wenn man Grundbedürfnisse (eigene und die der anderen) stillen will. Tiefwahr.
Am Beglückendsten wird es sein, wenn man auch „Die drei vom Ast“ in Gemeinschaft geniesst! Sehr lehrreiche Geschichten, liebevollst und köstlich gespielt. Ob es nun um Entdeckungen in der Natur oder Entdeckungen unterwegs mit anderen Menschen geht. Fast kein Thema aus der „Bandbreite Leben“ wird ausgelassen. Und die Werte, die darin zu finden sind, erkenne ich in der Tat als Wert-VOLL! Das regt zu kostbaren gemeinsamen Gesprächen an! Das gefitzte Eichhorn Waldemar stellt sehr gute Fragen! Man gewinnt es in Windeseile sehr lieb!
Selbstverständlich werde ich noch tiefer und gezielter auf die Grundbedürfnisse des Kleinkindes eingehen, als jetzt. Heute rede ich nur sehr allgemein davon, am Beispiel des Geschichten hörens. Unser Sonntagserlebnis hat mich drauf gebracht. Ich bin überzeugt: Grundbedürfnisse wie „Geliebtwerden, „Beachtetsein“, „Willkommensein“, „Sicherheit und Schutz“, „stabile, unterstützende Gemeinschaft“, sogar jenes nach „Expansion“ werden beim gemeinsamen Geschichten Hören oder Erzählen angerührt und berücksichtigt. Erst recht, wenn es möglich ist, sich danach darüber zu unterhalten. Gemeinsam an diesen und mit diesen Geschichten zu lernen.
Gefährte und ich pflegen die Vorlesekultur bis zum heutigen Tag. Habe ihm schon zahlreiche Bücher vorgelesen. Wenn ich möchte, dass er munter am Zuhören bleibt, darf ich das allerdings nicht im Bett tun. Dort wirkt Vorlesen bei ihm viel schneller, als jede Schlaftablette es täte ... Er hätte gar nichts dagegen, wenn ich mir dies zur abendlichen Gewohnheit machen würde. „Nichts ist schöner, als von dir in den Schlaf gelesen zu werden“, sagt er liebevoll. Gebe zu, dass ich es vorziehe, unten in der Stube vorzulesen. Sich neben einem in den Schlaf Getauchten darum zu bemühen, möglichst spannend zu erzählen, ist nicht meine Leidenschaft. Gefährte ist mein Minimum an Publikum, das ich schon gerne hätte ... Dafür hat er viel Verständnis und freut sich wie ein Kind auf Vorlesezeiten im Wohnzimmer. „Ist immer ein bisschen wie im Theater, wenn du vorliest“, meint er, „und das kann ich einfach so zuhause haben!“ Ja, wir lieben diese Zeiten. Sie regen zu sehr guten Gesprächen an. Plötzlich stehen wir mitten im Thema des Buches, haben unsere eigenen Erfahrungen dazu, ähnliche oder ganz andere, und möchten uns darüber unterhalten. Das tun wir dann auch. Das Vorgelesene weckt automatisch Themen in uns, die ohne sie mindestens jetzt nicht auf den Tisch gekommen wären. Ja, Vorlesezeiten sind solide Brücken zum guten Gespräch. Wirklich. Für kleine und für grosse Kinder, wie wir entdeckt haben. Vorlesezeiten erwärmen die Herzen der Beteiligten (okay, ist natürlich von der gewählten Lektüre abhängig). Vorlesezeiten stellen ohne Aufwand eine Nähe her, die sich ohne sie nicht einstellen würde – weil der Alltag schnell flüchtig wird, wenn man solches nicht einplant. Vorlesezeiten verbinden die Zuhörenden miteinander. So jedenfalls erfahren wir es schon lange.
Viel zu schade, dies alles unseren Kindern vorzuenthalten.
Wie schrieb der kürzlich verstorbene Autor Willy Fährmann:
"Geschichten, mein Herrchen, Geschichten sind ein Trost für die Menschen. In jeder guten Geschichte erkennt man sich selbst ein bisschen besser ...“
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