Diesen betroffen machenden Einschub innerhalb der Auseinandersetzung „Die Grundbedürfnisse des Kindes“ möchte ich nicht weglassen. Machte gerade eine Erfahrung, die mir einmal mehr zeigte, wie erschreckend uns Grossen und Verantwortlichen das Grundverständnis dafür, was Kinder wirklich brauchen, abhanden gekommen ist.
Eben kam ich von einem Gespräch mit einer Mutter nach Hause, deren Kind (2. Klasse) auch bereits in der Abklärungsmühle unseres Schulsystems „sitzt“. Nach allem, was sie erzählte, macht es mir wirklich Sorgen, wo unser Schulsystem sich hinbewegt. Das Kind wächst bisher ohne Handy, ohne Playstation und mit sehr gezielt und minimal eingesetztem Fernsehkonsum auf. Vorlesen gehört in dieser Familie zum Alltag. Das Kind besucht eine Doppelklasse (2. und 3. Klässler). In seiner Klasse wurden bereits 2/3 der Schüler schulpsychologisch abgeklärt und gelten als Kinder mit besonderen Bedürfnissen ... (Na ja, wer hat die nicht – man müsste sie bloss kennen und stillen lernen) Ich finde keine Worte für unsere „Abkläritis-akutis-generalis“! Bin nicht grundsätzlich gegen schulpsychologische Abklärungen. Die haben in verschiedenen Situationen ihre Berechtigung und können hilfreich richtungsweisend sein für ein Kind und dessen Eltern. Habe einfach mit der Abklärungsmasse Mühe. Man ist ja schon fast nicht mehr normal, wenn man keine Abklärung nötig hat. Und manchmal frage ich mich, ob es Lehrpersonen leichter fällt, einen Schüler zur Abklärung zu führen, statt ihm in Deutsch oder Mathe eine 4 ins Zeugnis zu schreiben? In der Schweiz ist 4 noch genügend - und in meinen Augen keine Katastrophe. Auch in meinen Zeugnissen ist die 4 über fast alle Schuljahre und Studienjahre hindurch vertreten. Man darf doch seine schwachen Seiten haben. Deswegen ist man doch nicht in heutigem Sinne gleich ein "Schüler mit besonderen Bedürfnissen", der abgeklärt werden und in den Lernzielen angepasst werden muss. Meine Meinung jedenfalls.
Ich frage mich: Wann klären die Verantwortlichen im Bildungswesen endlich mal gründlich ab, weshalb um alles in dieser Welt wir so viele Abklärungen starten ...? Das wäre mit Sicherheit eine dringend nötige Abklärung wert! Vielleicht sogar die dringendste! Wer ist da wirklich krank? Wer neben der gesunden Schiene unterwegs? Die Kinder – oder ganz vielleicht doch eher wir Grossen, die ihnen vorgesetzt sind? Die Grossen, welche die gesunde Orientierung verloren zu haben scheinen, wie man Kinder führt, begleitet, ihre ihnen innewohnenden Schätze aufweckt, wachliebt, herauskitzelt, sie stärkt, ermutigt, die Freude am Kindsein stützt und nährt – und damit die Freude am Leben? Und wenn wir Grossen krank sind – müssen wir uns nicht wundern, wenn es auch die Kleinen werden ...
Das heutige Gespräch würde mich nicht so sehr aus den Socken hauen, wenn es das erste mit Eltern von Schulkindern in diese Richtung wäre. Leider ist es das xte! Die Gespräche beschränken sich auch nicht auf den Kanton, in dem wir wohnen. Leider, leider nein! Es kommt mir vor, als würde klammheimlich das entspannte und kindsgemässe Kindsein verboten, abgeschafft ... Jenes Kindsein, das unser Erfinder eigentlich vorgesehen hat. Ein Kindsein, das seiner Entwicklungsphase und seinen Grundbedürfnissen angepasst ist. Aber klar: Wenn man den Erfinder nicht kennt oder ihn leugnet, hat man auch keine Orientierung durch Ihn. Dann fängt das grosse gesellschaftliche Schwimmfest an. Fatal wahr. Und konsequenzenreich!
Im nächsten Beitrag denke ich weiter über das Grundbedürfnis nach Liebe, Akeptanz und Willkommensein nach. Das Kind, von dem ich heute erzählte, macht diese Erfahrung Gott sei Dank in der Familie – nicht aber wirklich im schulischen Rahmen. Dort wird ihm vermittelt, nicht richtig oder nicht ganz 100 zu sein. Ehrlich gesagt, bin ich noch niemandem begegnet, der das wirklich ist. Und so stelle ich noch einmal die Frage in den Raum:
Wann klären wir endlich ab, weshalb wir so viele Kinder abklären?
Gäbe es nicht einen anderen Weg?
Lied von Volker Gruch: Wenn wir unsere Grenzen sehen:
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