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Weiter mit Grundbedürfnissen 1

Gäbe es nicht einen anderen Weg, als den der unzähligen schulpsycho-logischen Abklärungen unserer Kinder? Damit schloss ich meinen letzten Eintrag. Ja, ich denke gerne über Wurzeln nach und was sie brauchen, um in ihre gute Bestimmung hineinwachsen zu können. Der Sache auf den Grund gehen, ihre Wurzeln suchen, nicht bei Symptomen stehenbleiben, das fasziniert mich. Auch wenn es bedeuten kann, dass eine schmerzvolle Wurzelbehandlung nötig sein sollte. Es sei bei Pflanzen, Zähnen, gesellschaftlichen Missständen oder auch der Seele. Denke weniger intensiv über Wurzel-Auswüchse nach, es sei denn, es seien gut gediehene. Dann freu ich mich herzhaft dran! An einer wunderbar entfalteten Rosenblüte zum Beispiel, die ja nicht allein ihre Blütenblätter entfaltet. Nein, auch ihren betörenden Duft, der von irgendwoher kommt. Von der Wurzel aller Wurzeln vermutlich: "Es ist ein Ros' entsprungen, von Jesse kam die Art ..." (Jesaja 11/10)

 

In meinen letzten Berufsjahren kam ich zwischen Lenzerheide und Klosters in viele Klassenzimmer und Kindergärten. Coachte die Heilpädagoginnen, die in der Integration (Deutschland nennt das Inklusion) arbeiten und lernte natürlich auch ihre Schützlinge kennen. Besonders Besuche in Kindergärten machten mich oft sehr betroffen. Ich erwartete neugierige Kindergesichter, die Blütenknospen gleich, kurz vor dem Aufspringen waren – und sah viel zu oft in ein Antlitz, das schon wie erstorben oder eben verdorrt aussah. Lebensunlustig. Matt. Gleichgültig. Orientierungslos. Diese Kinder gab es schon immer, ich weiss. Auch als ich zu lediger Zeit unterrichtet habe. Nur, der Prozentsatz abgestorbener, verdorrter Blütenknospen ist in der Schweiz erschreckend gestiegen. Davon bin ich leider überzeugt. So vielen verdorrten Blütenköpfen wie heute bin ich damals nicht begegnet. Fotos bestätigen mir das. Neugierde, Interesse, 1000 Warum-Fragen und Freude am Gestalten oder irgend etwas „Klüttern“ herrschten damals vor. Gesellschaftliche Veränderungen in Familie und Medienwelt zum Beispiel, stellen uns heute vor neue, grosse Herausforderungen. Zum Beispiel vor eine erschreckend grosse Zahl Kindergartenkinder, die dem Leben bereits nicht mehr zugewandt sind. Die dasitzen wie verdorrte Blütenknospen.

 

Wenn das der Fall ist, dann ist in ihrer Entwicklung grundlegend etwas falsch gelaufen. Dann sind ihre Grundbedürfnisse nicht gut genug gestillt worden. Dann leben sie nicht mit der inneren Gewissheit, geliebt, willkommen, akzeptiert und sicher zu sein. Denn daraus heraus würde sich automatisch eine natürliche Zugewandtheit dem Leben und anderen Menschen gegenüber entwickeln. Auch die Neugierde, was das Leben noch alles bereithalten könnte, würde spontan erwachen und die Kinder nach vorne ziehen. Und wir Grossen würden von den wissbegierigen Kleinen mit ganz vielen Fragen „bombardiert“. Wenn Kinder keine Fragen stellen, sind sie unlebendig. Natürlich weiss ich, dass die Fragen der lebendigen Kleinen uns Grossen manchmal fast „töten“ können. Aber damit ist fraglos besser klarzukommen, als mit fragenlosen Kleinen. Ich gehe zu den Wurzeln unserer Kleinen. Was brauchen sie, damit sie sich Rosenknospen gleich, wunderschön entfalten können?

 

Ich sprach es früher schon an: Nach der Geburt ist das Antlitz der Mutter die ganze, wenn auch sehr kleine Welt des Kindes. Seine allererste Welt und Wohnung aber war „Mutter-inwendig“. Die Gebärmutter. Wunderbare 37° Celsius warm. Dauerversorgung mit der nötigen Nahrung. Jedenfalls, wenn es normal läuft. Ich bin überzeugt, dass das werdende Kind bereits hier wahrnimmt, ob es von Mama willkommen geheissen, geliebt und akzeptiert wird oder nicht. Schon hier, an dieser Wurzel, fängt sich das Selbstverständnis des werdenden Menschleins zu prägen an. Entweder: „Oh, ich bin herzlich willkommen! Die da draussen können es kaum erwarten, bis ich ans Licht purzle!“ Oder: „Da ist ja niemand, der sich auf mich freut! Vielleicht wäre es besser, ich würde absterben?“ Ich vermute, dass vom zweiten Fall betroffene Erwachsene eindrückliche Geschichten dazu zu erzählen hätten.

 

Egal, ob man mit mir einig ist oder nicht, dass die lebensbejahende oder lebensverneinende Grundhaltung eines Menschen bereits im Mutterleib geprägt wird (das muss nicht lebenslang so zementiert bleiben), eines ist sicher, so geht es auch nach der Geburt weiter. Entweder erlebt das Baby dieses herzliche Willkommensein oder die tragische Tatsache, dass es nicht ins Konzept oder Umfeld der biologischen Eltern passt. Es geht mir überhaupt nicht darum, gegen Eltern zu wettern, die ihrem Baby dieses Willkommensein, diese Liebe, diese herzhafte Akzeptanz nicht schenken konnten. Es ist mir sehr bewusst, dass das Leben sehr verrückt spielen kann, sodass es einem aus vielerlei Gründen nicht möglich ist, sich während der Schwangerschaft auf das Baby und nach der Geburt sich am Baby herzhaft zu freuen und ihm vermitteln zu können: „Heiss geliebt, von Grund auf akzeptiert, herzlichst willkommen, kleiner Schatz!“ Ich habe Verständnis für solche Situationen. Als Mutter von vier längst vertrauten Fremdlingen (zwei adoptierte und zwei Pflegekinder) kann ich keinen Stab brechen über ihren biologischen Eltern. Bei fast allen hat sich niemand von ihnen wirklich auf das Kind freuen können. Die Umstände standen unterschiedlich quer, sodass die Anfänge ihrer Kinder schlicht nicht erfreulich waren. Ihre Grundbedürfnisse in hohem Masse ungestillt, bevor sie zu uns kamen. Es ist mir nicht möglich, auch wenn ich die Folgen der traurigen Lebensanfänge unserer längst nicht mehr fremden Fremdlinge hart durchliebt und durchlitten habe, deren Eltern (und viele andere Leidensgenossen) zu verurteilen. In ihren Schuhen hätte ich es nicht besser gemacht. Bin mir auch eigenen Versagens an allen unseren Fremdlingen bewusst und wische viel besser vor meiner Herzenstür, als dass ich ihre seelisch selbst sehr unterversorgten Eltern abschreiben würde. Nein, das haben sie nicht verdient. Trotz der harten Folgen nicht, die ihr Unvermögen ins Leben ihrer Kinder, ebenso in das von uns Adoptiv- und Pflegeeltern legte. Ich vertraue darauf, dass Gott der beste Vater aller ist. Ihm traue ich noch immer viel zu dort, wo sich bei unseren Fremdlingen oder uns Eltern noch Unheiles nach Heilung sehnt. Und wer unter uns Menschen wird schon ohne unheile Stellen gross? Wenn Einer damit klarkommt, dann Er. Zu Seiner Zeit. Und Seine wird auch die richtige sein. Diese Sicht war mir nicht jeden Tag möglich. Aber ich wurde von meinem Erfinder immer wieder in grosser Treue und neu in sie hineingeführt. Gnade.

 

Nun habe ich beschrieben, worum es mir nicht geht. Worum geht es mir dann? Gerade über alle reichen, tiefen Erfahrungen unterwegs mit unseren Fremdlingen, aber auch als Lehrerin und später als Heilpädagogin ist in mir eine Leidenschaft gewachsen, möglichst präventiv zu wirken. Also zu versuchen, mit anderen, vor allem auch jungen Menschen bewusst(er) darüber nachzudenken, worauf es in der Begleitung eines werdenden Kindleins wirklich ankommt, damit es sich körperlich-seelisch-geistig einigermassen gestillt und gesund entwickeln und mündig werden kann. Wenn durch alle gesammelten Schätze meines bisherigen Lebens junge Menschen gesegnet und beschenkt werden können mit Gutem, und wenn es einige Kinder weniger gibt dadurch, die an zu vielen ungestillten Grundbedürfnissen leiden müssen, dann bin ich Gott sehr, sehr dankbar - und glücklich! Unsere Fremdlinge haben unser Verständnis der Entwicklung eines Menschenkindes wesentlich geprägt, sind durch alles Frohe und gottesartigerweise besonders auch durch’s beidseits Schwere hindurch wertvolle Zubringer zu tieferem Verstehen und hilfreiche Lehrmeister ihrer Mutter geworden. Haben ihr ein- und abdrücklich beigebracht, was wirklich zum Wesentlichen des Lebens eines werdenden Kindes zählt. Auch, was passiert, wenn ein Kind ab Mutterleib nicht genügend von diesem Guten bekommt. Ich hätte ohne sie ganz viel Grundlegendes, guten Boden legendes nicht in dieser Tiefe erfasst. Komme mir oft vor wie eine kleine Schatzkiste. Ja, unterwegs mit ihnen sind viele kostbare Schätze gereift. Auf tränenreichen Wegen oft, das will ich nicht verschweigen. Dass sie selbst mehr und mehr in den ermutigenden Segensfluss dieser in Schätze verwandelten Erfahrungen kommen mögen, wünsche ich zuerst und herzhaft natürlich ihnen. Gott wird sorgen.

 

Zum Grundbedürfnis 1 nach Liebe, Willkommensein und Akzeptanz brennen mir folgende Fragen auf dem Herzen:

 

Warum entwickeln sich junge Kätzchen noch immer und seit Urzeiten in unverfälschte, in keiner Weise entartete Katzen? Warum habe ich bei keinem Kätzchen den Eindruck, es mit einer abgestorbenen Blütenknospe zu tun zu haben? Warum hüpft mein Herz vor Freude, wenn ich Jungkätzchen und ihre Mutter studiere? Jedes einzelne Kleine, das ich erlebt habe, war neugierig, lebensfroh, offen für Neues in seiner kleinen Welt, wenngleich auch bei Kätzchen Wesensunterschiede deutlich sichtbar sind. Aber ich nahm stets wahr: „Ihr kleinen, putzigen Wesen seid auf bestem Weg, eine richtige, schnauzige, katzige und kätzische Katze zu werden!“ Das macht doch einfach Freude! Das macht mir auch bei kleinen Menschenkindern grösste Freude, wenn ich sie so erleben kann: „... auf bestem Weg, ein richtiges, mündiges, menschliches menschenfreundliches Menschlein zu werden!“ Bei zu vielen vermisse ich heute zuviel davon. Ja, warum werden Kätzchen auch heute noch waschechte Katzen? Und bei den Kindern haperts - warum? Ganz einfach: Weil die Katzenmama bis heute so lange beherzt DA ist für ihre Kleinen und sie mit dem Nötigen an Nahrung für Körper und Seele versorgt, bis sie „schnauzig“ sind ... Menschen sollen mündig werden, haben einen Mund. Katzen aber werden „schnauzig“ – weil sie eine Schnauze haben 😆 . Ja, Kätzchen werden nach wie vor richtige Katzen, weil die Katzenmama genau das tut, was der Schöpfer für Kätzchen vorgesehen hat. Immer noch. Bei Katzen ist der Papa nur bei der Zeugung ein Thema. Hier liegt ein wesentlicher Unterschied zu uns Menschen, den ich unbedingt erwähnen will. Denn Väter sind für unsere Kinder sehr, sehr wichtig! Ich hoffe, es verletzt sie nicht, wenn ich sage, dass sie es in den ersten Monaten nach Geburt noch nicht so sehr sind, wie Mama es ist. Naja, wo nähmen die Papas die Muttermilch her? Im besten Fall aus dem Kühlschrank ... 

 

Ich habe die Aufzucht junger Katzen dreimal erlebt und begriffen: Katzen haben wenig oder keinen Verstand. Darum können sie ihn nicht unverständig einsetzen. So, wie es wir Menschen leider nur zu oft tun. Keine Katzenmama läuft ihren Jungen davon – höchstens, wenn sie sich bedroht fühlt. Dann aber versucht sie, ihre Jungen an einen anderen sicheren Ort zu transportieren. Es kommt auch keiner Katzenmama in den Sinn, ihre unschnäuzigen Kinder tagsüber monatelang einer Nachbarin anzuvertrauen, nur weil sie Lust hat, an der "Olympiade im Spitzmausfangen" teilzunehmen. Damit sie fleissig draussen auf dem Feld in der Spitzmausfänger-Crew trainieren kann. Keine Katzenmama wird von elektronischen Geräten abgelenkt und verformt. Genausowenig ihre Kinder. Ich kenne keine Katzenmama, die sich für "KäTas" (Kätzchentagesstätten) einsetzt (Ich weiss, dass es die "KiTas" schon auch braucht für gewisse Fälle). Die Katzenmama ist auch nicht dauernd auf Achse und fast täglich mit ihrer Sippe unterwegs. Ihre Kätzchen brauchen anfänglich viel Ruhe und einen sicheren, geborgenen, vertrauten Ort. Die grosse Welt zu entdecken, ist einiges später dran. Katzenkinder brauchen in der Prägungshase vorwiegend eines: Ihre Mama, die an ziemlich alles denkt, was die Kleinen nötig haben. Auf ihr turnen sie herum, sobald sie sehen können, mit ihr schmusen sie (nicht jedes Kätzchen gleich intensiv), mit ihr spielen sie, bei ihr saugen sie, bei und auf ihr schlafen sie. Manchmal streiten sie auch. Wäre alles unmöglich, wenn Mama nicht DA wäre. So binden sie sich auf natürliche, gute Weise an sie und wachsen zu richtig katzigen, kätzischen Katzen heran. Gilt das alles nur für Katzenkinder? Wie werden kleine Menschlein wirklich menschlich und menschenfreundlich? Das sollte doch unser herzhaftes Suchen, Ziel und unser Einsatz sein.

 

Ich trage Bilder tiefster Geborgenheit in mir, seit ich der Aufzucht von halbwilden Kätzchen so nah beiwohnen durfte. Da fühlt sich gewiss jedes Katzenkind herzlich willkommen und von Mama geliebt. Kann gar nicht anders sein. Ihre Mama ist DA, für SIE! Das ganze Katzennest: fröhlicher Ausdruck von Freude, Frieden, Liebe, Lebenslust und sogar Ordnung. Katzenmama sorgte für alles. Und immer wieder dachte ich: Könnten wir schrittweise entartenden Menschen nicht vielleicht ganz viel bei der Katzenmama über artgerechtes Aufwachsen unserer Kleinen lernen? Könnten wir bei ihr nicht lernen, was DASEIN heisst? Dasein für die jüngere Generation? So, dass sie sich einigermassen gesund entwickeln kann? So, dass sich unsere Jungen in richtige, mündige, lebensfrohe, gestalterische und menschenfreundliche Menschen entwickeln können?

 

Probiert’s mal aus, wenn ihr bei Katzen, Hunden, Hasen, Schafen oder, oder, oder die Gelegenheit bekommt! Das bewusste Beobachten der Aufzucht ihrer Jungen wird wohl im Blick auf persönliche Elternschaft nicht ohne Frucht bleiben. Lasst euch tief berühren und bewegt dabei die Frage: "Was kann ich bei der Katzen-, Hunde-, Hasen-, oder Schafmama lernen?" Und legt euren Verstand vielleicht mal beiseite. Das könnte jetzt sehr vernünftig sein .

 

Wer weiss, vielleicht wäre Katzenaufzucht sogar für unsere Verantwortlichen im Bildungswesen eine aufschlussreiche Lektion – oder gar Wurzelbehandlung? Des Herzens. Vielleicht könnte das Schiff, das sich Bildungswesen nennt, dadurch eine ungeahnte Kursänderung erfahren? Vielleicht würde man in den Schulen wieder viel mehr singen und vorlesen, zeichnen und Baum- und Schneehütten bauen, Bäche stauen? Vielleicht gäbe es dann mit der Zeit wieder deutlich weniger schulpsychologische Abklärungen, wenn wir bei Katzen neu lernen und danach auch umsetzen würden, was erst recht unsere Kinder nötigst haben, um gut gedeihen zu können? Um sich entfalten zu können, wie eine wunderbare Rosenknospe? So, wie es unser Schöpfer vom Anbeginn her vorgesehen hat. Sie brauchen mit Sicherheit keine zweite Fremdsprache. Für Flüchtlingskinder wäre es gar die dritte! Was für ein Hirnriss! Was sie aber brauchen: Deutlich mehr von der Sprache der Liebe vorgelebt! Nicht von Gleichaltrigen. Da sind wir Grossen gefragt! Falls wir beim Thema "Liebe" schwimmen: Das Wurzelbuch, in dem wir dem was und wer Liebe ist, auf die Spur kommen können, ist und bleibt die Bibel. Ganz besonders das Neue Testament. Ob wir's glauben oder nicht. Es ist so. Und es wird immer so bleiben. 

 

Nein, durcheinander macht nicht Gott das Ganze. Da müssen wir wirklich fair bleiben. Es ist unser oft so unverständige Verstand, der den guten, durch und durch fürsorglichen Gedanken Gottes für uns immer wieder ausweicht und auf eigne Faust sein Ding durchziehen will. Mit allen Konsequenzen im Gefolge. Wir leiten diese ein - nicht Gott.

Ach, wären wir doch manchmal – Katzen. Es würde manchen Kindern besser gehen. Viel besser.

 

P.S. Oh, Entschuldigung – vielleicht ist der heutige Leseumfang nicht mehr ganz artgerecht ausgefallen? Artgerecht vielleicht schon. Zeitgemäss möglicherweise nicht. Will versuchen, mich nächstes Mal wieder kürzer zu halten.

 

Song von Thomas Koppe: Manchmal

https://www.youtube.com/watch?v=zfElPAjUCDU

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