Nun bin ich, oder sind wir hier auf der Homepage bereits 9 Tage unterwegs mit meinem „Wortbild-Adventskalender“. Wie ich es geniesse, Bilder zu Worten und Worte zu Bildern zu führen! Eine unbeschreiblich schöne Arbeit für mich. Der Advent dürfte von mir aus doppelt so lange dauern.
Danke herzlich für die motivierenden Ermutigungen, die ich durch Leser - oder sollte ich besser sagen, Mitgeniesser - erfahre! Es freut mich riesig, von viel Freude unter ihnen zu vernehmen. So war es auch gedacht.
Gerade kam ich von der grossen Runde mit Pooh zurück. Wunderweisse Landschaft genossen wir. Auch die Zeit des Zwischenraums (siehe Adventskalender Bild *3*), in dem ich herrlich ungestört nachdenken konnte. Über neue Wortbilder und Bildworte zum Beispiel. Oder über bereits geborene, wie das heutige Bild *9*:
„Grösser, weiter, schneller, höher ...“ Das sind die gängigen und prägenden Superlative unserer unruhigen Zeit. Sie werden uns als ersterbenswerteste Lebensziele vorgegaukelt. Kann es fast nicht mehr hören und lesen. Glaube ich doch, dass darin eine völlig falsche, irregeleitete Denke sitzt. Ja, wem Zwischenraum fehlt, der sehnt sich schnell einmal danach, irgendwo der Grösste, Schnellste, Weiteste oder Höchste zu sein. Mindestens, etwas solches erreicht zu haben. Und dann? Noch höher oder schneller hinaus? Wo führt uns solches Getriebensein hin? Ich ahne es:
Am Ende des Lebens –
wurde exakt das Leben verpasst ...
Leben hat Fleisch und Blut.
Nicht Denkmäler, Orden und Medaillen.
Am Ende des Lebens, so vermute ich, weiss jeder, der es wissen will: das Wertvollste und Schönste (hier mag ich ihn, den Superlativ ...) sind tragende Beziehungen. Zu Menschen aus Fleisch und Blut und dem, der sie schuf. Der, der solche Freundschaften hatte, wird es genauso wissen, wie jener, dem sie ein Leben lang fehlten, weil er ein Knecht von Meister „Grösser-Weiter-Schneller-Höher“ war vielleicht? Gibt noch 100 andere Gründe. Dieser hartherzige Meister aber sorgt clever dafür, dass „mit Zwischenraum hindurchzuschaun“ so gut wie nichts los sein wird. „Vergeudete Zeit“, so belügt er seine Angestellten. Grösse, Leistung, Profit muss her! Ja, dieser Chef weiss bestens, dass Zwischenräume bei seiner Crew für ihn sehr gefährlich werden könnten. Und das Risiko von Massenkündigungen muss im Ansatz unterbunden werden. Sonnenklar. Wie gut das diesem Treiber gelingt. Wer ohne Zwischenraum lebt, wird schnell einmal von Treibern gedacht. Es fehlt ja die Zeit zum selber denken. Die Zeit, dem bereits Gelebten nach-zudenken.
In unserem europäischen „Grösser-weiter-schneller-höher-Wahn“ sehne ich mich oft nach „Kleiner-schmaler-langsamer-niedriger“. Nicht, dass mich das nicht herausfordern würde. Oh doch! Denn nicht überall bin ich Fan des schmaleren „Kuchenstücks“ zum Beispiel. Nicht immer fällt mir der Weg unten durch so leicht. Aber alles in allem habe ich den Eindruck, dass wir uns dringend wieder etwas mehr bescheiden lernen sollten. Auch in unseren kirchlichen Kreisen. Nicht mitschwimmen mit diesem Grössenwahn. Mir scheint, dass wir uns wieder vermehrt zum „weniger-ist-mehr“ ermutigen sollten, statt uns ins „Du-musst-Grosses-erreichen“ hinein zu puschen. Wenn ich erkenne, wie Gott mich denkt, wozu er mich begabt und wodurch begrenzt hat, dann werde ich immer besser verstehen, welche Früchte durch mich wachsen sollen. Bei Rosen sind es Hagebutten - nicht Mammutbäume! Bei mir sind es Wortbilder und Bildworte zum Beispiel - kein Lehrstuhl in Mathematik! Meine Freundinnen werden jetzt bestimmt einen Lacher nicht verkneifen können! Ich lache herzlich mit.
Übrigens, um die Anzahl der Früchte, die aus unserer Berufung herauswachsen sollen, kümmert sich unser Erfinder vortrefflich. Er rät: "Sei Du jetzt einfach mal im Kleinen treu! Nur ich kann ausloten, ob du auch für Grösseres tauglich bist."
Da sprach sein HERR zu ihm: Recht so, du guter und treuer Knecht, du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über viel setzen; geh hinein zu deines HERRN Freude. Matthäus 25 (lohnenswert für einen Zwischenraum)
Seit einiger Zeit höre ich Menschen dann und wann zu mir sagen: „Das ist weise, was du sagst. Du hast wohl die Gabe der Weisheit.“ Das sagen mir andere. Ich kam nicht selbst darauf. Doch es klingt jeweils so, als würde die Gabe der Weisheit ohne unser Zutun in einem Moment „flutsch“ in ein Herz plumpsen. Auch so, als hätte es mit einer Auswahl zu tun, die Gott trifft: Den einen wird die Gabe zugeworfen, andere gehen leer dabei aus. Ich sehe das anders. Die Gabe der Weisheit kommt in der Regel nicht geflogen und steht grundsätzlich vielen offen. Verstehe sie als gereifte Frucht der Summe unserer Zwischenräume. Über Jahrzehnte im stillen Hintergrund des Lebens herangewachsen.
Manchmal frage ich mich: Mangelt es uns deshalb an weisen Menschen, weil zu vielen die Zwischenräume fehlen? Weil sie die Mammutbäume suchen, statt sich mit Hagebutten zu begnügen? Und sie eilen, und eilen, und eilen ... statt endlich zu VERWeilen.
Es ist Wochenende. 2. Advent 🎺🎺. Zeit für einen ausgiebigen Zwischenraum!
Dann sehen wir uns morgen wieder – im kleinen Zwischenraum des Adventskalenders! Das Wortbild liegt schon bereit. Viel Freude weiterhin!
Und vergesst nicht:
Weisheit ist die gereifte Frucht der Summe unserer Zwischenräume
Katharina Steiner
Song "Stille": Judith Wendtland
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