Was für eine wunderschöne Entdeckung Gefährte doch heute Morgen für mich gemacht hat! Ein sehr berührendes Gedicht hat er in einer Zeitschrift entdeckt, das ihn auch an seine Taube erinnerte. Deshalb fing er an, mir liebevoll-anerkennend eine kurze Passage daraus vorzulesen:
"Wenn wir wirklich Freude an Dir hätten, HERR,
könnten wir dem Bedürfnis zu tanzen nicht widerstehen,
das sich über die Welt ausbreitet;
und wir würden schliesslich ahnen,
welcher Tanz es ist, den Du uns tanzen lassen willst,
indem wir uns den Schritten Deiner Vorsehung überliessen ..."
Ja, es ist wahr: Ich habe Freude an diesem Herrn. Und ja, diese Freude bringt mich immer wieder neu und herzhaft zum Tanzen, nicht nur innerlich. Auch beim Singen in der Kirche zum Beispiel. Singen und Tanzen - für mich gehört es untrennbar zusammen. Tanzend ausdrücken, was ich singe, die Worte aus mir herauspurzeln lassen, nicht einstudiert, sondern spontan. Für mich gibt es nichts, was mich beim Singen meinem Schöpfer näher bringen könnte, mich mehr eins macht mit Ihm, als das. Gefährte weiss das längst und freut sich dran. Natürlich sind nicht alle wie Gefährte. Aber das ist ein anderes Thema.
Nun sassen wir mehr als zwei Stunden über diesen aussagestarken Worten von Madeleine Delbrêl (1904 - 1964), haben sie erforscht, genossen, verkostet. Das Original in Französisch gesucht, den deutschen Text mit ihren Ursprungsworten verglichen und gemeinsam versucht, ihn etwas weniger holperig zu machen. Etwas tanzender eben 😉 ... Es hat solche Freude gemacht! Eigentlich hatte ich vor, mich dem letzten Teil meiner aktuellen Andachtsreihe zum Thema "Seinen Glauben entwickeln" zu widmen - stattdessen aber sind wir zu zweit durch dieses eindrückliche Gedicht getanzt! Und oh Wunder: Es hat auf stille Weise unseren Glauben an unseren einmaligen Gott weiterentwickelt ... Ja, tanzen beflügelt und befreit uns zu ungeahnten Kursänderungen, immer wieder. Auch heute.
Es freut mich sehr, hier meine Leser an diesem Juwel teilhaben zu lassen. Es ist kein Gedicht für eine 10-Minuten-Pause. Nein, ich glaube ganz fest, für manche von uns ist es eins für eine ganze Lebensreise - und wohl darüber hinaus! Ich müsste mich ganz schwer irren, was immer möglich ist. Das Gedicht ist, so vermute ich, für mehr Menschen, als wir trockenen, nackensteifen Schweizer im ersten Augenblick wohl denken würden. Auch wenn wir nicht die besten Tänzer sind. Tanzschritte aber, von denen im Gedicht die Rede ist, lassen sich gut und gern ganz ungestört zuhause wagen. Dort wo wir fast alleine sind und nur einen Zuschauer haben: Gott ... Madeleine Delbrêl möge viele von uns dazu ermutigen!
Je länger ich über das Gedicht nachdenke, umso deutlicher wird mir, dass "durchs Leben tanzen" noch vieles beinhaltet, woran ich noch gar nie gedacht habe. Ja, ich möchte mich von Herzen darauf einlassen - mit meinem unübertrefflichen Erfinder als Lebensmusik!
So faszinierend, was Madeleine Delbrêl schreibt:
Um ein guter Tänzer zu sein,
muss man nicht wissen, wie es weitergeht –
mit Dir oder auch sonst.
Man muss nur folgen,
heiter sein,
leicht sein,
und vor allem nicht steif sein.
Der Ball des Gehorsams (Madeleine Delbrêl)
Vermutlich geschrieben zur Zeit des 2. Weltkriegs
Heute ist der vierzehnte Juli.
Alle Leute gehen zum Tanz.
Überall, seit Monaten, seit Jahren, tanzt die Welt.
Je mehr man in ihr stirbt, umso mehr tanzt man darauf.
Wogen des Krieges, Wogen des Tanzes.
Es gibt wahrhaft viel Lärm.
Die ernsthaften Leute schlafen.
Die Ordensleute lesen laut das Morgengebet des heiligen "König Heinrich".
Und ich, ich denke, an den anderen König:
an König David, der vor der Bundeslade tanzte.
Denn wenn es auch viele heilige Leute gibt, die nicht tanzen mögen,
so gibt es doch auch viele heilige Leute, denen Tanzen ein Bedürfnis war,
weil sie so sehr glücklich waren zu leben:
Die Heilige Teresa mit ihren Kastagnetten,
der Heilige Johannes vom Kreuz mit dem Jesuskind in den Armen,
und der Heilige Franziskus vor dem Papst.
Wenn wir wirklich Freude an Dir hätten, Herr,
könnten wir dem Bedürfnis zu tanzen nicht widerstehen,
das sich über die Welt ausbreitet.
Und wir würden schließlich ahnen,
welcher Tanz es ist, den Du uns tanzen lassen willst,
wenn wir uns den Schritten Deiner Vorsehung überliessen.
Denn ich denke, dass du vielleicht genug haben könntest
von den Leuten, die ständig davon
reden:
Dir zu dienen, mit der Miene von Feldwebeln.
Dich zu kennen, mit dem Gehabe von Professoren.
Dich zu erreichen, nach den Regeln des Sports.
Dich zu lieben, wie man sich in einem abgenutzten Haushalt liebt.
Eines Tages, als Du ein wenig Lust auf etwas Anderes hattest,
hast Du den Heiligen Franziskus erfunden
und hast ihn zu einem Jongleur gemacht.
Es ist an uns, uns von Dir erfinden zu lassen,
um fröhliche Menschen zu sein,
die mit Dir durchs Leben tanzen.
Um ein guter Tänzer zu sein,
muss man nicht wissen, wie es weitergeht –
es sei mit Dir oder sonstwo.
Man muss nur folgen,
heiter sein,
leicht sein,
und vor allem nicht steif sein.
Man soll Dich nicht nach Erklärungen fragen
in Bezug auf die Schritte, die Dir gefallen könnten.
Man soll wie eine Verlängerung sein von Dir,
beweglich und lebendig durch Dich,
und so von Dir den Takt des Orchesters empfangen.
Man soll nicht um jeden Preis vorwärts kommen wollen.
Manchmal muss man sich auch drehen oder seitwärts gehen.
Man muss innehalten können oder gleiten, anstatt zu marschieren.
Und das alles wären lauter sinnlose Schritte,
wenn nicht die Musik eine Harmonie daraus machen würde.
Aber wir vergessen die Musik Deines Geistes,
und machen aus unserem Leben eine Gymnastikübung.
Wir vergessen, dass das Leben in Deinen Armen getanzt sein möchte,
und dass Dein Heiliger Wille von unvorstellbarer Phantasie ist,
ja, dass Monotonie und Langeweile
nur für alte Seelen ist,
die wie ein Mauerblümchen
am Rand des fröhlichen Balls Deiner Liebe sitzen.
Herr, komm und lade uns ein!
Wir sind bereit, Dir diese Pflichten vorzutanzen:
diese Rechnungen, das Abendessen, das bereitet werden muss,
diese Nachtwache, bei der wir schläfrig sein werden.
Wir sind bereit, Dir den Tanz der Arbeit vorzutanzen.
Den der Hitze und später den der Kälte.
Wenn auch manche Melodien in Moll stehen,
werden wir Dir nicht sagen,
dass sie traurig sind.
Wenn andere uns etwas ausser Atem bringen,
werden wir Dir nicht sagen,
dass sie uns die Luft abschneiden.
Und wenn uns Leute stoßen, nehmen wir es lachend hin,
wohlwissend, dass das passiert -
vor allem wenn man tanzt.
Herr, zeige uns den Platz,
den in dieser ewigen Romanze,
die zwischen Dir und uns begonnen hat,
dieser einzigartige Tanz unseres Gehorsams einnimmt.
Offenbare uns das große Orchester Deiner Entwürfe,
worin das, was Du zulässt,
inmitten der Gelassenheit dessen, was Dein Wille ist,
oft seltsame Töne von sich gibt.
Lehre uns jeden Tag neu
die Umstände unseres Menschseins anzuziehen wie ein Ballkleid,
und es um Deinetwillen so zu lieben,
als wäre jedes Detail ein unverzichtbarer Schmuck.
Lass uns unser Leben leben,
nicht wie ein Schachspiel, bei dem alles kalkuliert ist.
Nicht wie ein Wettkampf, in dem alles schwierig ist.
Nicht wie ein Lehrsatz, an dem wir uns den Kopf zerbrechen.
Sondern wie ein Fest ohne Ende,
bei dem Du uns stets neu begegnest!
Lass es sein wie ein Ball, wie ein Tanz
in den Armen Deiner Gnade,
in der allumfassenden Musik der Liebe.
Herr, komm und lade uns ein!
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