Wie versprochen, wende ich mich nun hinsichtlich Freizeitverhalten den modernen Medien von heute und gestern zu. Da interessiert gewiss einmal, wieviel Zeit es denn ungefähr ist, die Kinder von heute und gestern an diesen Geräten verbringen oder verbrachten. Der Computer ist im Diagramm 7 deshalb nicht aufgeführt, weil er mit der älteren Generation nicht zu vergleichen gewesen wäre. In der Rubrik „Fernseher“ von Diagramm 7 handelt es sich also ausschliesslich um die jeweilige Sehdauer an diesem Gerät.
Radio – Kassette – Fernseher – Platte/CD – Telefon
Diagramm 7: wö durchschnittliche Betriebszeit in Minuten
… lohnt es sich fast nicht zu berichten. Das Diagramm stellt klar, dass sowohl die heutige, wie die gestrige Generation damit in ihrem Alltag sehr wenig zu tun hat/hatte. Zur Klärung: Hier ist lediglich der Umgang mit dem Haustelefon gemeint, nicht jener mit dem Handy.
Während die Mädchen und Knaben von gestern nicht sehr unterschiedliche Radiohörzeiten verzeichnen, sieht das zu Gunsten der Mädchen heute anders aus. Diese hören rund doppelt so lang wie die Jungs Radio; gute 400 Minuten pro Woche, was runde 7 Stunden ergibt. Früher waren es im Schnitt nur halb soviel. Das Radio gehörte aber laut Umfrage bei Mädchen und Knaben gestern zu den bevorzugten technischen Freizeitbeschäftigungen.
Um wieder auf „Spiel und Kreativität“ zu sprechen zu kommen: Zuhören lässt, auch wenn es technisch abläuft, im Unterschied zum Zusehen, viel Raum für Kreativität zu. Zu gehörten Geschichten dreht sich jedes Kind seinen eigenen inneren Film! Und das ist kreativ. Was dem Radio- und Kassettenhören im Vergleich zu vorgelesenen Geschichten natürlich abgeht, ist der Beziehungsaspekt, der nur beim Vorlesen Raum für Fragen und gemeinsames Nachdenken oder einfach zum gemeinsamen Lachen oder Traurigsein offenhält. Diese Interaktionen sind nicht zu unterschätzen! Da findet Begegnung statt – wenn es gut geht, eine Begegnung der Herzen! Und das ist beim Radiohören selbstverständlich nicht möglich.
Bei beiden Generationen ist erkennbar, dass die Mädchen vom Kassettenrecorder relativ angetan sind oder waren. In den Umfragen hielten manche Kinder von gestern ausdrücklich fest, dass sie sehr gerne Tonband-Aufnahmen gemacht hätten. Eine Beschäftigung, der durchaus einiges an Kreativität innewohnen kann, so man sie noch zu nutzen weiss, was voraussetzt, dass die eigene Seele lebendig = schöpferisch ist. Die wöchentliche Betriebszeit weicht von derjenigen des Radios unwesentlich ab.
Bei den Knaben beider Altersgruppen scheint dieses Gerät nicht besonders beliebt gewesen zu sein.
Hier klaffen die Betriebszeiten vor allem zwischen den Generationen erheblich auseinander. Wo Kinder von gestern durchschnittlich rund 3 Stunden pro Woche nicht überschritten, erreichen Mädchen von heute ca. 12 und die Knaben ca. 7 Stunden Spielzeit in der Woche. Der bei heutigen Kindern sehr beliebte „Disc-Man“ wird hier nicht berücksichtigt!
Einmal mehr klafft das Verhältnis im Umgang mit den technischen Geräten hier am deutlichsten auseinander; aufgrund vorheriger Diagramme nicht verwunderlich. Allerdings sagten diese noch nichts über die wöchentliche Betriebszeit aus, die hier dargestellt wird.
Bei Kindern von gestern schauten die Knaben knapp doppelt so viel fern, wie die Mädchen. Dieses Verhältnis hat sich unter den Generationen bis heute in etwa die Waage gehalten – die Spielzeiten hingegen gar nicht! Wo Knaben früher 130 Minuten pro Woche vor dem Fernseher sassen, tun das heutige Jungs sage und schreibe laut Umfrage während 1100 Minuten! Das ergibt eine Stundenzahl von gut 18 Stunden pro Woche, etwa 2 ½ Stunden pro Tag also. Mädchen gestern kamen auf 80 Minuten pro Woche, jene von heute auf knapp 700 Minuten, was gut 11 Stunden ausmacht; das sind dann 1 ½ Stunden pro Tag.
Wie sehen die Betriebszeiten nun unter Berücksichtigung aller technischen Geräte, die heute vorhanden sind und gestern vorhanden waren, aus?
Gesamtspielzeiten inklusive Handy und Computer
Durchschnittliche
Spielzeiten in Minuten pro Kind/Woche, aufgeteilt
Diagramm 8: wö Gesamtspielzeit, aufgeteilt
Dazu ist folgendes zu sagen: Kinder von gestern fanden es besonders schwierig, hier genaue Angaben zu machen, da das Erinnerungsvermögen natürlich auf Grenzen stösst. In der Tendenz aber liegen sie womöglich nicht wesentlich von der Realität entfernt.
Auch die Kinder der Jahrgänge 94/95 taten sich hier bei den Zeitangaben oft recht schwer. Das mag die unterschiedlichsten Gründe haben. Ihre Lehrerin erklärte, dass sie noch ziemliche Schwierigkeiten in Sachen Zeitgefühl gehabt hätten. Das mag einer der Gründe sein, weshalb im Diagramm 9 erhebliche, nicht unbedingt glaubwürdige Zeitunterschiede bei den beiden Kindergruppen von heute zum Ausdruck kommen. Darüber hinaus geht es eher schlecht auf, wenn Kinder, die einen eigenen Fernseher im Zimmer stehen haben, angeben, diesen 0 Minuten pro Woche in Betrieb zu haben. So vernünftig mag ein Kind wunderselten mal sein – dann würde es aber leicht auf ein eigenes Gerät verzichten. Gerade bei den Fragebögen der jüngsten Kinder schien immer wieder durch, dass ehrliche Angaben hinsichtlich Fernseh- und Computerkonsum halt immer noch etwas Peinliches an sich haben, und das ist an dieser Stelle auch eine Aussage wert. Man weiss ja allenthalben, dass häufiges Fernsehen und vor dem PC Sitzen nicht das ist, was von Pädagogen rundum begrüsst wird. Und in welchem Zusammenhang die Umfrage stand, wussten die Kinder.
Ein weiterer Grund, der diesen grossen Differenzen zwischen den jüngeren und älteren Kindern von heute zugrunde liegt, ist folgender: Einige 94/95er-Knaben trugen bei den täglichen Betriebszeiten von Fernseher und Computer jeweils eine liegende Acht ein, mit der die Auswertende statistisch herzlich wenig anzufangen wusste. So trug sie eben keine „erfundene“ Zeit ein. Wenn die Knaben allerdings „unendlich“ eingetragen haben, liegt auf der Hand, dass genaue Angaben den Betriebsdauerschnitt nicht unwesentlich verändert hätten. Da auf der andern Seite die 91/92er-Schüler in der Sparte „Handy“ oftmals 168 Stunden/Woche (mehr hat eine Woche nicht) eintrugen, was ja kein dauerndes Telefonieren, lediglich ein dauerhaftes „on-line-Sein“ bedeutet, ist wohl für gar nicht so üblen Ausgleich gesorgt insofern, dass das Diagramm 9 dann doch wieder ziemlich aussagekräftig ist. Mindestens die klare Tendenz wird heutiger Kindheits-Realität in etwa entsprechen.
Diagramm 9: wö Gesamtspielzeit aller techn. Geräte
Da die jüngere Generation mehr zum Nachdenken anregt, beginne ich die Beschreibung mit den Kindern von gestern.
Knaben: 504 Minuten pro Woche hatten die Jungen von gestern Umgang mit den damals modernen Medien zu verzeichnen. Die restliche Zeit gehörte anderen Beschäftigungen, über welche die Diagramme 1 und 2 näher Auskunft geben. 504 Minuten = knapp 8 ½ Stunden in der Woche. Das macht mehr als eine Stunde pro Tag und macht nicht den Anschein, überaus wenig zu sein.
Zeit, welche bei Überkonsum fantasielos und die Seele unlebendig machen kann, verbrachten sie nur während 130 Minuten in der Woche vor dem Fernseher.
Mädchen: Ihre Vorlieben für’s Radiohören und Zeit verbringen mit dem Kassettengerät machen es aus, dass sie um mehr als 100 Minuten in der Woche höher kamen als die Knaben. 627 Minuten = knapp 10 ½ Stunden pro Woche, 1 ½ Stunden am Tag also. Der Rest ihrer Zeit gehörte anderem.
Fantasietötende Zeit, jene vor dem Fernsehapparat, verbrachten sie während einer Woche rund 80 Minuten lang, was die Phantasie nicht ernsthaft gefährden konnte.
Und nun zu den Kindern von heute:
Knaben: 5557 Minuten einer Woche fallen heute (das war 2005!) bei den Befragten auf’s Konto moderner und digitaler Medien – eine schwindel-erregende Zahl, die man erst einmal genauer „auspacken“ muss! Also los:
Eine Woche zählt genau 10'080 Minuten – und zu mehr als der Hälfte davon haben Knaben von heute mit modernen Medien zu tun! In der kleineren Hälfte scheint es Nacht zu sein, denn die kommt ja auch noch irgendwo vor. Ein solches Ergebnis wirkt nicht nur ernüchternd – es erschüttert geradezu. 5597 Minuten = 92 h 37 min. - von 168 möglichen Stunden einer Woche!
Mädchen: Auf den ersten Blick scheint es hier einiges humaner zu sein: 4783 Minuten pro Woche.
Wenn man aber bedenkt, dass 4783 Minuten noch immer 79 h 43 min. Medienzeit in der Woche bedeuten, macht es den ersten Anschein eines grösseren Unterschiedes wieder verschwindend klein!
Natürlich relativiert es das aufrüttelnde Ergebnis ein wenig, wenn man bedenkt, dass heutige Kinder gewohnt sind, mehrere Sachen auf einmal zu machen. So zum Beispiel fernsehen und per Handy telefonieren, oder am Disc-Man Musikhören, „handynieren“ und womöglich noch durch die Fernsehkanäle zappen. Ich sage bewusst: es relativiert das Ergebnis ein wenig. Denn, ob die besondere Fähigkeit des dreispurigen Zeit und Leben verbringens letztlich eine erstrebenswerte Begabung ist, oder eine verfängliche Flucht vor der Gegenwart, den vor den Füssen liegenden Lebensrealitäten und sich selbst, steht auf einem anderen Blatt .
Ich frage mich :
Ist es innerhalb dieser Lebensweise überhaupt noch möglich, an irgendeinem Ort, an irgendeiner Stelle des Alltags DA zu sein?
Ja, ist es überhaupt noch möglich zu SEIN?
Ist es möglich zu LEBEN, ohne gelebt zu werden?
Ist da noch Raum, äusserlich und innerlich, fürs Nach-Denken und zur Ruhe kommen?
Soll das noch mit jenem WIRKLICHSEIN zu tun haben, von dem das Holzpferd (siehe Blogeintrag vom 23. April 18 ) erzählt?
Ernste Fragen, welche die Umfrage da auslöst! Leichtfertig lassen sie sich nicht beantworten. Ihnen nachzudenken kann aber lohnend sein.
Ich überlasse dieses Nachdenken erst einmal meinen Lesern und werde mich dann wieder zum Thema melden. Ich weiss gut: Nachdenken braucht Zeit. Gönnen Sie sich diese! Langfristig wird Sie das Langsamgehen weiter bringen, als das unreflektierte durch’s Leben hetzen. Dazu möchte ich Sie herzhaft ermutigen.
Zwischendurch geniessen Sie doch einfach dieses Bild:
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