Nein, das können sich meine Leser nicht vorstellen, was ich am Wochenende getan, vielmehr herzhaft genossen habe! Ich habe gelesen – einen sechsseitigen, handgeschriebenen Brief, an Gefährte und mich adressiert! Mindestens zehn Jahre jünger fühlte ich mich – und unbeschreiblich wertgeschätzt! Da setzt sich eine liebe Freundin, die nicht gerade um die Ecke wohnt, an den Tisch und erzählt mir seitenlang von Hand schreibend, wie es ihr und ihrer ganzen, grossen Familie so geht, wo sie und ihr Mann grad dran sind ... Ich war total berührt von diesem Erlebnis und bin es immer noch! Das war Leben teilen in wunderschöner, wertvoller Form. Weil Briefpost so selten geworden ist, war mein Erlebnis wohl so einschneidend.
Was für ein Unterschied, gemütlich auf dem Sofa zu sitzen und einen solchen Brief Zeile um Zeile zu geniessen. Abends las ich den Brief dann freudig Gefährte vor, dem das Herz genauso aufging, wie mir. Der grosse Qualitäts-Unterschied zu Mails, erst recht zu „WhatsApps en masse“ fiel mir wieder einmal jäh auf! Nein, ich bin nicht kategorisch gegen die moderne Technik. Aber ich realisiere immer mehr, wie sehr sie uns auf der Beziehungsebene schleichend in eine Richtung verändert, die ich „soziale Verarmung“ und „dauernd auf Trab – oder Draht“ nennen würde. Das darf uns nicht kalt lassen.
Deshalb telefoniere ich wieder mehr. Bevorzugt mit dem Festnetz-Apparat. Deshalb setze ich mich wieder häufiger an meinen gemütlichen Schreibtisch, an welchem ich bis vor einigen Wochen mit meinem stilvollen „Mont-Blanc-mit-Goldfeder-Füller“ Karten und Briefe schrieb. Ich schreibe sie noch immer, auch heute wieder – bloss nicht mehr mit meinem „Mont Blanc“ ... Der ist inmitten meiner Weihnachstdeko-Schnipseleien ungeachtet unter die Räuber – vermutlich in den Papierkorb – geraten. Tat echt weh. Uns verband immerhin eine 30-jährige freundschaftliche Schreibgemeinschaft! Keine Ahnung, wie viele Tintenkilometer ich mit ihm aus der Hand geschwungen habe? Es waren unzählige! Nun, dieser Verlust soll mich nicht von Handschriftlichem abhalten. Nachdem ich so viel Freude an der jüngsten Briefpost erfuhr, erst recht nicht! Hab längst einen Ersatz. Keinen Mont Blanc natürlich, auch keine zweite Goldfeder-Ausrüstung, aber doch ein recht angenehm zu schreibendes Ding von Faber-Castell. Vorläufig gebe ich mich damit zufrieden und denke beim Schreiben an die Freude, welche wohl die meisten Empfänger meiner Schreibpost haben werden – egal, mit welchem Füller sie zustande kam.
Etwas Willkommenes, das Seltenheitswert hat, macht einfach doppelte Freude. Das war schon immer so, seit es Menschen gibt. Heute zählen handgeschriebene Briefe und Karten dazu. Sie müssen nicht Vergangenheit bleiben. Dürfen auch rarer als früher sein. Es ist nun mal nötig, sich den Veränderungen der jeweiligen Zeit so verträglich wie möglich anzupassen, um sich im äusseren Leben zurechtfinden zu können. Aber sie dürfen durchaus zur Sorte gehören: „Altbewährtes wollen wir bewahren“.
Na dann, vielleicht auf Wiederschreiben – von Hand meine ich natürlich.
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