Unterwegs mit
Donald W. Winnicott[1]
Aus meiner Diplomarbeit zur Heilpädagogin, 2005, Thema "Medienkindheit"
Zitate von Winnicott stehen in Kursivschrift
Winnicott lebte 1896 – 1971 in England, war Pädiater, später zusätzlich Psychoanalytiker. Er gilt als Träger der Objektbeziehungs-Theorie und Vorläufer der Intersubjektivitäts-Theorie. Winnicott negierte Freuds Triebkonzept nicht. Aber für Winnicott ist der Mensch von Anfang an ein grundsätzlich bezogenes Wesen oder „ein Selbst in Beziehung“ wie es in seinen Büchern oft anzutreffen ist. Das steht in seiner Theorie im Vordergrund, wenngleich die Triebe des Menschen nicht bedeutungslos sind. Nun, was hat er uns zum Thema „Schöpferisch leben“ Wichtiges zu sagen?
Definition und Ursprünge von Kreativität (Winnicott)
Für welche Definition wir uns auch entscheiden, sie muss den Gedanken enthalten, dass das Leben entweder lebenswert ist oder nicht, je nach dem, ob Kreativität Teil der Lebenserfahrung eines Individuums ist oder nicht. Um schöpferisch sein zu können, muss ein Individuum existieren, es muss dasein und das Gefühl haben, dazusein, nicht im Sinne einer bewussten Wahrnehmung, sondern als grundlegendes Lebensgefühl, als Basis, von der aus es aktiv werden kann.
Kreativität ist also das Tun, das aus dem Sein erwächst. Kreativität ist ein Zeichen dafür, dass derjenige, der IST, wirklich lebt.
Man kann durchaus zeigen, dass bei manchen Menschen und zu gewissen Zeiten Aktivitäten, die darauf hinweisen, dass sie leben, einfach Reaktionen auf Reize sind. Ein ganzes Leben kann auf dem Reiz-Reaktions-Muster aufgebaut sein. Nehmt die Reize weg, und das Individuum hat kein Leben mehr. Im Extremfall hat das Wort „sein“ hier keine Bedeutung. Bei einem Menschen, der „ist“ und der das Gefühl hat, dass er ist, überwiegt immer das aus dem Impuls hervorgehende Tun gegenüber dem Tun als Reaktion.
Die grundlegenden Muster bilden sich im Verlauf der emotionalen Entwicklung heraus, und die Faktoren, die den grössten Einfluss darauf haben, finden sich in der Nähe des Anfangs.
Sehr spannend wird es, wenn an dieser Stelle Winnicotts Theorie durch die Ergebnisse aus der modernen Hirnforschung ergänzt, vielmehr bestätigt werden. Gerald Hüther, Professor für Neurobiologie an der Universität Göttingen, hat im gemeinsamen Buch mit Karl Gebauer „Kinder brauchen Wurzeln“, folgendes festgehalten:
- Jedes Kind ist einzigartig und verfügt über einzigartige Potentiale zur Ausbildung eines komplexen, vielfach vernetzten und zeitlebens lernfähigen Gehirns. Ob und wie es ihm gelingt, diese Anlagen zu entfalten, hängt ganz wesentlich von den Entwicklungsbedingungen ab (die genügend gute Umwelt, nach Winnicott! Hinweis der Autorin), die es vorfindet, und von den Erfahrungen, die es während der Phase seiner Hirnreifung machen kann.
- Jedes Kind braucht ein möglichst breites Spektrum unterschiedlichster Herausforderungen, um die in seinem Gehirn angelegten Verschaltungen auszubauen, weiter zu entwickeln und zu festigen, und jedes Kind braucht das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit, um neue Situationen und Erlebnisse nicht als Bedrohung, sondern als Herausforderung bewerten zu können. Beides gibt es nur in intensiven Beziehungen zu anderen Menschen, und es sind die frühen, in diesen Beziehungen gemachten und im kindlichen Hirn verankerten psychosozialen Erfahrungen, die seine weitere Entwicklung bestimmen und sein Fühlen, Denken und Handeln fortan lenken.
- Je länger diese Phase früher Prägungen und enger Bindungen zwischen den Eltern und ihren Nachkommen andauert, desto mehr individuelle Erfahrungen können von diesen Nachkommen gemacht und in Form bestimmter Verschaltungen in ihrem Gehirn verankert werden.[2] (Hervorhebungen durch Autorin)
Dazu ist zu sagen, dass es heute möglich ist, ein Hirn zu fotografieren (PET-Scan-Methode). Aufgrund des Bildes ist ablesbar, ob ein Kind in seiner Kindheit gut genug umsorgt, angeregt und gefördert wurde. Eine ganz phänomenale Sache, die Theorien, wie diese von Winnicott zum Beispiel, handfest bestätigt.
Nach diesem kleinen Exkurs zurück zu Winnicott und der Kreativität:
Kreativität ist also das lebenslange Festhalten an etwas, das eigentlich zur Erfahrung des Kleinkindes gehört: an der Fähigkeit, eine Welt zu erschaffen. Für das Baby ist das nicht schwierig, denn wenn die Mutter fähig ist, sich seinen Bedürfnissen anzupassen, hat es zunächst keinerlei Anlass, die Tatsache zu würdigen, dass die Welt da war, bevor es von seiner Mutter empfangen wurde oder irgendjemand auch nur eine Vorstellung von ihm hatte. Das Realitätsprinzip besteht in der Tatsache, dass die Welt existiert, ob das Baby sie erschafft oder nicht.
Das Realitätsprinzip ist ganz einfach ein Ärgernis, aber wenn das Kind erst einmal gelernt hat, „dada“ zu sagen, haben sich bereits grosse Entwicklungen vollzogen, und das Kind hat genetisch determinierte (festgelegte) seelisch-geistige Funktionsweisen erworben, die es ihm ermöglichen, mit dieser Zumutung fertig zu werden. Denn das Realitätsprinzip ist eine Beleidigung für die menschliche Natur. (Hervorhebungen durch die Autorin)
Das Realitätsprinzip von "Ursache -Wirkung" – eine Beleidigung für den Menschen
An dieser Stelle will ich kurz innehalten. Winnicott stellt also fest, dass das Realitätsprinzip von Ursache - Wirkung, von Freiraum und Grenzen, von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eine Beleidigung für die menschliche Natur ist. Was für eine ganz neue, tiefe Bedeutung bekommt diese These gerade im Zeitalter der Medienkindheit! Es ist die erste Epoche im Rahmen der Menschheitsgeschichte, in der gleichzeitig die Welt, in der das Realitätsprinzip regiert und jene, in der es aufgehoben ist, vorhanden sind und gehörig aufeinander prallen. Das gibt enorme Kollisionen und ganz neue zwischenmenschliche Konflikte, die in der ersten Kindheitsphase für den Rest des Lebens in den Grundzügen hätten überwunden werden müssen! So ist das von Anfang an gedacht. Die modernen Medien, das wird im Kapitel „Unsere Digitalkids“ dann noch viel klarer, rufen einen neuen Konflikt hervor, der vieles über den gehabten Haufen wirft.
Heutige Kinder aber haben täglich vielfältig die Möglichkeit, in virtuelle Welten einzutauchen und abzugleiten, wo das Leben weder Boden noch Wände, noch Vergangenheit oder Zukunft hat – und es ist auch aufgrund meiner Umfrage erwiesen, dass sich viele Kinder von heute übermässig oft und lange in dieser Welt aufhalten, die eben fern des den Menschen beleidigenden Realitätsprinzips steht. Gerade das kommt ihnen so sehr entgegen, lässt sie eine Art vermeintliches Paradies erleben, aus dem sie allerdings zu irgendeinem Zeitpunkt unweigerlich wieder vertrieben werden müssen: Heraus aus der Welt ohne Grenzen – hinein in die Welt der Grenzen und Widerstände! Tatsache ist: Heute gibt es im Alltag des Kindes leider eine Welt, in der es sich nicht durch das Realitätsprinzip beleidigt fühlen muss – allein, die Frustration nach der Rückkehr von der virtuellen in die reale Welt, muss zwangsläufig umso grösser sein, als es früher je möglich war. So gross, dass die Kinder damit je länger je weniger zurechtkommen und bald flucht- und suchtartig erneut in der Cyber-Welt verschwinden.
Die seelische Entwicklung in der virtuellen Welt
Es ist jetzt leicht zu erkennen, was die virtuelle Welt mit der seelischen Entwicklung des Kindes macht: Sie begleitet es nicht schrittweise vorwärts – nein:
Langsam aber stetig zieht sie das Kind oder den Jugendlichen zurück in jene Phase seiner Entwicklung, die eigentlich und allein für den Anfang des Lebens zum Aufbau von Bindung und Urvertrauen reserviert gewesen wäre…: Die Phase der Illusion nach Winnicott, die Phase des primären Narzissmus nach Mahler.
Viele Software-Programme und das Netz bauen exakt darauf auf, sofern da noch von Aufbau die Rede sein kann. Es wird ja de facto viel mehr von dem zerstört, was im Kind einmal mehr oder weniger vorhanden gewesen ist und was für die Bewältigung des Lebens, das dem Realitätsprinzip unterworfen ist, unerlässlich wäre.
Diese Entdeckung war es, die mir endlich verständlich machte, weshalb ich seit längerer Zeit den Eindruck nicht loswerde, dass die digitalen Medien jeder verantwortungsbewussten Erziehung, durch welche Kinder gewöhnlich von Phase zu Phase begleitet werden, mit grosser Wucht entgegenwirken, ja sogar äusserst erziehungsfeindlich sind!
Mehr noch: digitale Medien werden zu Konkurrenten verantwortungsbewusster Eltern, die nie und nimmer auf die Idee kämen, das Realitätsprinzip im Leben ihrer Schützlinge zu verbiegen, abzuschwächen oder gar aufzulösen. Mit anderen Worten, ihren Kindern so viele Steine wie möglich aus dem Weg zu räumen. Die virtuelle Welt tut das aber auf so verfängliche Weise am laufenden Band – und oft genug gewinnt sie im Herzen der Kinder dann gegen ihre Eltern. Kinder haben noch nicht die nötige Reife, zu begreifen, dass es nicht die Medien sind, die es wirklich sehr gut mit ihnen meinen…
Das ist die Situation, mit der wir es heute zu tun haben: Eltern, die Bestandteil jener Welt sind, in der das Realitätsprinzip wirksam ist, beleidigen ihre Kinder sozusagen laufend, während die Alternative der so „gütigen“ virtuellen Welt immer noch mehr Futter dem nach Omnipotenz hungernden, nimmersatten Kind zur Verfügung stellt. Zwei Welten, die schlicht nicht kompatibel sind. Wahnsinn! Eltern versuchen, mit ihren Kindern vorwärts zu gehen, während das sich Bewegen der Kinder in der virtuellen Welt das Gegenteil anstrebt und oft genug bewirkt. Was für eine enorme Zerreissprobe mit 1000 vorprogrammierten Zusatzkonflikten – für Eltern und Kinder natürlich!
Welch ein grosses Privileg es doch für alle Kinder war, die noch ohne das Angebot der virtuellen Welt gross geworden sind, wird auf alle Fälle hier klar. Entwicklung von Phase zu Phase ist heute für viele Kinder unserer Gesellschaft fast nicht mehr möglich. Damit ist nicht gesagt, dass es dafür nicht noch andere Gründe geben könnte. Jedoch, wer das „Spielen“ auf digitalen Medien zu seiner Hauptbeschäftigung macht, wird seelisch eines Tages in der frühkindlichen Phase festsitzen und vermutlich nur sehr schwer wieder herausfinden. Wolfgang Bergmann wird das im nächsten Kapitel noch näher erläutern. Jedenfalls: Eine solche Entwicklung ist das pure Gegenteil dessen, was pädagogisch wertvoll genannt werden könnte.
Zurück zu Winnicott: Spielen auf digitalen Medien hat im Sinne Winnicotts rein nichts mit echtem Spielen und schöpferisch sein zu tun. Im Gegenteil: Eine solche Entwicklung ist eine Art Einbahnstrasse auf dem Weg zur eigenen Unwirklichkeit und zur Zerstörung ureigener Phantasie und Antriebe, durch die das Kind ein aktives Glied der Gesellschaft würde. „Digitalkids“ könnten passiver und damit sinnentleerter nicht werden, was Tor und Türen öffnet für Aggression oder Depression. Die Tageszeitungen berichten in immer kürzeren Abständen davon. Tendenziell wählen Knaben noch immer lieber den aggressiven Pfad, während Mädchen eher zum depressiven Weg neigen. Winnicott aber strebt zu Recht das Gegenteil an:
Wenn ich von einem schöpferischen Leben spreche, so verstehe ich darunter das Leben eines Menschen, der sich nicht beständig töten oder auslöschen lässt durch Gefügigkeit oder dadurch, dass er auf die andringende Welt reagiert; schöpferisch leben heisst für mich soviel wie: alles jederzeit neu sehen können.
Ursprünge der Kreativität
Kreativität hat etwas mit Lebendigsein zu tun – das heisst, das Individuum streckt auf die eine oder andere Art seine Hand aus, so dass eine Beziehung entstehen kann, wenn ein Objekt vorhanden ist. Aber das ist nur die eine Hälfte. Die andere Hälfte hat etwas damit zu tun, dass es nur unter bestimmten Bedingungen eine Bedeutung haben kann, sich im physischen oder im seelisch-geistigen Sinne nach aussen zu strecken, nämlich nur bei einem Wesen, das da ist um zu sein. Ein Baby, das fast ohne Hirnmasse auf die Welt gekommen ist, kann sich zwar ausstrecken, ein Objekt finden und gebrauchen, aber ihm fehlt die Erfahrung eines schöpferischen Lebens. Auch für die Entwicklung des normalen Babys ist es notwendig, dass es in einem komplexen Ganzen heranwächst und allmählich zu jemandem wird, dessen Existenz fest gegründet ist; nur dann kann es das Ausstrecken seiner Hand und das Finden eines Objekts als einen schöpferischen Akt erleben (als einen Impuls aus seinem Innern heraus; Anmerkung der Autorin).
Ich komme also auf meine Maxime zurück: Das Sein kommt vor dem Tun (Geliebtsein kommt vor dem Liebenkönnen! Anmerkung der Autorin). Hinter dem Tun steht immer das Sein, das sich zuerst entwickeln muss.
Wo ein Kind übermässig an digitale Medien gebunden ist, verliert es nebst der Fähigkeit auch die Erfahrung dessen, was blosses Sein sein könnte. Also, seine Fähigkeit verarmt, Erfahrungen an sich geschehen zu lassen und abzuwarten, was daraus an ihm und in ihm wird. Stattdessen zählt es sehr bald zum grossen Haufen der unermüdlich Getriebenen, ohne in der Regel jenen zu erkennen, der es treibt. Unter den „Digitalkids“ sind solche Kinder heute häufig anzutreffen.
Wenn wir schöpferisch leben, ist es so, dass alles, was wir tun, das Gefühl bestärkt, dass wir lebendig sind, dass wir wir selbst sind. Um schöpferisch zu leben, dazu brauchen wir kein besonderes Talent. Der Wunsch, schöpferisch zu leben, ist etwas allgemein Menschliches, eine allgemein menschliche Erfahrung, und selbst der bettlägerige, ganz in sich zurückgezogene Schizophrene kann in irgendeiner geheimen Ecke seines seelisch-geistigen Lebens schöpferisch leben und daher in gewissem Sinne glücklich sein. Unglücklich ist jemand zu nennen, der über eine gewisse Zeit hinweg ganz bewusst erlebt, dass ihm das, was für ihn wesentlich ist, fehlt, etwas, das viel wichtiger ist als Essen und Trinken oder körperliches Überleben.
Wenn jemand glücklich gewesen ist, kann er auch Kummer und Leid ertragen. Wir sagen ja auch, das Baby könne nicht entwöhnt werden, wenn es nicht zuvor die Brust oder einen Brustersatz bekommen hat. Desillusionierung (in dem Sinne, dass wir das Realitätsprinzip annehmen) gibt es nur auf der Grundlage von Illusion. (Hervorhebungen durch die Autorin)
Ursprünge schöpferischen Lebens
Das kleine Kind entwickelt sich allmählich dahin, dass es bereit ist, eine Welt der Objekte und Vorstellungen vorzufinden, und dem Tempo seiner diesbezüglichen Entwicklung entsprechend präsentiert die Mutter ihrem Baby die Welt. Auf diese Weise, nämlich aufgrund des hohen Masses an Anpassung, die sie zu Anfang leistet, befähigt die Mutter das Baby, Omnipotenz zu erfahren – tatsächlich zu finden, was es erschafft, sie befähigt es, zu erschaffen und das, was es vorfindet, zu verknüpfen. Unter dem Strich: Jedes Kind beginnt seinen Weg mit einer neuen Erschaffung der Welt (worin die Ebenbildlichkeit Gottes, das ihm Ähnlichsein, zum Ausdruck kommt; Anmerkung der Autorin). Und am siebenten Tag, so hoffen wir, sieht es, dass es gut ist und ruht sich aus. So verlaufen die Dinge, wenn alles einigermassen gut geht, was ja normalerweise auch der Fall ist; aber jemand muss dasein, wenn das, was erschaffen wird, ins Bewusstsein gebracht, wirklich werden soll. Wenn niemand da ist, der diese Funktion übernimmt, dann wird das Kind im Extremfall autistisch – es ist schöpferisch im leeren Raum -, und in den menschlichen Beziehungen entwickelt es eine nervtötende Gefügigkeit (kindliche Schizophrenie).
Dann kann das Realitätsprinzip allmählich eingeführt werden, und das Kind, das die Erfahrung der Omnipotenz gemacht hat, erfährt nun die Begrenzungen, welche die Welt auferlegt. Aber zu diesem Zeitpunkt ist es fähig, quasi aus zweiter Hand zu leben, dem anderen gelegentlich die Führung zu überlassen und Omnipotenz abzugeben. Schliessslich kann das menschliche Wesen darauf verzichten, das Antriebsrad zu sein oder das gesamte Räderwerk, und es nimmt allmählich die angenehmere Position eines kleinen Rädchens ein. Das menschliche Individuum, das seinen Weg nicht mit der Erfahrung der Omnipotenz beginnt, hat nicht die Möglichkeit, ein Rädchen zu sein, sondern muss rastlos den Ausverkauf von Omnipotenz, Schöpferkraft und Kontrolle betreiben.
Einem solchen Kind fehlt das Urvertrauen, an dessen Stelle sich Urmisstrauen einnistet, was zur Folge hat, dass es dem Zwang unterliegt, soviel wie nur möglich zu kontrollieren; es kann ja nicht vertrauen.
Was Winnicott beschreibt, hat so lange gegolten, wie pädagogische Begleiter keine Konkurrenz von Seiten einer Welt hatten, die das Realitätsprinzip beim Kind täglich neu in Frage stellt.
Und da bin ich wieder bei der grossen Wende der Menschheitsgeschichte angelangt, die durch die Möglichkeit, in virtuellen Welten zu leben, fast Hals über Kopf eingeläutet wurde.
Wir haben es heute mit einer grossen Zahl von Kindern und Jugendlichen zu tun, die sich gebärden wie grosse Räderwerke, ohne selbst über die seelisch-geistige Fähigkeit zu verfügen, ein bescheidenes Rad in einem grossen Ganzen zu sein. Das heisst, sie sind unfähig zu Ein- und Unterordnung, was eine unverzichtbare Grundvoraussetzung für jeden grossen oder kleinen Lebensauftrag wäre. Was das Grundlebensgefühl vieler, die damit beschrieben sind, in etwa ist, beschreibt Winnicott wie folgt:
Symptom eines unschöpferischen Lebens ist das Gefühl, dass nichts irgend-etwas bedeutet, jenes Gefühl der Nichtigkeit, welches sich ausdrückt in der Einstellung „Es ist mir alles egal“ oder „Was geht es mich schon an?“.
Spricht Winnicott hier nicht gerade eine Lebenshaltung Gegenständen und Menschen gegenüber an, die unter heutigen Kindern vorherrschend ist? Achtsamer, behutsamer Umgang feiert heute keine Blütezeit. Und Winnicott meint, dass Achtsamkeit und „Sorge tragen zu“ Ausdruck schöpferischen Lebens seien. Wie weit hat sich doch unsere Gesellschaft in den letzten zwei Jahrzehnten davon entfernt! Wie sehr nimmt die Zahl jener Menschen zu, die so schnell empfinden und sagen: „Es ist mir alles egal, was geht es mich schon an?“ Schöpferische, lebendige, aktive Kinder, wo sind sie geblieben? Ja, es gibt sie auch heute noch, auf jeden Fall. Das schmälert aber die Tatsache nicht, dass wir es gleichzeitig mit erschreckend vielen leblosen, in ihrer Seele erstickten Kindern zu tun haben (Tendenz steigend), die Pädagogen und Therapeuten nicht selten unbeschreiblich überfordern. Weiter mit Winnicott:
Wir sind jetzt in der Lage, uns noch einmal genauer anzusehen, was „schöpferisch leben“ heisst. Es wird ihnen klargeworden sein, dass ich versuche, zu einer irgendwie tieferen, um nicht zu sagen grundlegenden Schicht vorzustossen. Die eine Art, Würstchen heiss zu machen, besteht darin, die genauen Anweisungen in Mistress Beetons Kochbuch zu befolgen, die andere darin, ein paar Würstchen zu nehmen und sie einfach heiss zu machen. Das Ergebnis mag in beiden Fällen das gleiche sein, aber es ist vergnüglicher, mit einem schöpferischen Koch zusammenzuleben, selbst dann, wenn es gelegentlich zu einer kleinen Katastrophe kommt oder der Geschmack recht eigenartig ist und man sich jedesmal auf das Schlimmste gefasst machen muss. Was ich zu sagen versuche, ist dies: Für den Koch oder die Köchin sind die beiden Erfahrungen sehr verschieden; der sklavische Koch, der sich nach den Anweisungen richtet, hat keinen Gewinn von der Erfahrung, abgesehen davon, dass sein Gefühl der Autoritätsabhängigkeit wächst, während der andere, der seine Originalität zur Geltung kommen lässt, sich in stärkerem Masse wirklich fühlen wird; er (oder sie) bereitet sich selbst eine Überraschung mit dem, was ihm (oder ihr) beim Kochen durch den Sinn geht.
Wie bescheiden die Gaben des einzelnen auch sein mögen, Erfahrung kann immer schöpferisch sein und als etwas Erregendes erlebt werden, insofern immer etwas Neues und Unerwartetes in der Luft liegt. Wenn Leute, die keine Picasso sind, wie Picasso malen wollten, so wären sie nichts anderes als sklavische Nachahmer und ganz und gar nicht schöpferisch. Wer wie Picasso malen will, muss Picasso sein – ansonsten ist das, was er macht, etwas Unschöpferisches.
Es ist wichtig für uns, im Hinblick auf andere zu wissen (ganz besonders im Hinblick auf Kinder, für die wir verantwortlich sind), dass die Erfahrung, schöpferisch zu leben, für das Individuum in jedem Fall viel wesentlicher ist als die Erfahrung,
etwas gut gemacht zu haben….
Was für eine wunderbar schöpferische Sauerei - und der Wohlgeruch stieg bis in die obere Etage unseres Hauses ...
Wie aus der Beschreibung zum Thema „Schöpferisch leben“ hervorgegangen ist, legt Winnicott auf das Dasein und Sein im Leben eines Menschen, als Basis, auf der sich Kreativität erst entwickeln kann, grossen Wert. Ich kann ihm gut nachdenken und nachempfinden. Hier nun ein Alltagsbeispiel eines Jugendlichen von heute, der ja nur ein Beispiel unter vielen ist:
Einer, der nicht DA war
(Beispiel aus 2005)
Neulich sass mir im Autobus ein Jüngling gegenüber, bei dem ich mir nicht sicher war, ob es vielleicht bloss eine Karikatur dieser Gattung war. Grenzen werden auch in der realen Welt immer fliessender! Seine Beschreibung:
· in der rechten Hand einen knappen halben Meter Sandwich,
· in der linken das Handy in Aktion,
· unter dem linken Oberarm eine Packung Corn-Flakes eingeklemmt,
· zwischen die Füsse seinen Rucksack,
· zwischen beide Knie eine grosse Flasche Fanta,
· und über seine Ohren die Stöpsel eines Disc-Mans geklemmt ...
Was da nicht alles eingeklemmt war, Sichtbares - und möglicherweise auch Unsichtbares! An der dritten Haltestelle stürzte er wie ein Düsenjäger zum Bus heraus – doch kaum wollte sich das Postauto wieder in Bewegung setzen, gab’s draussen ein aufgeregtes Geschrei: „Halt, halt, nicht abfahren, aufmachen …!“ Wenig später sass „der Eingeklemmte“ wieder auf dem Sitz mir gegenüber. Inzwischen mit von Stöpseln befreiten Ohren. Halbwegs aufgewacht und in der realen Welt angemeldet also. Ganz erstaunt erklärte er mir: „Bin eben zu früh ausgestiegen!“ „Das kann leicht vorkommen, wenn man abgemeldet ist“, erwiderte ich lächelnd. „Wie meinen Sie das“, erkundigte er sich, und ich deutete auf seine zur Ruhe gekommenen Ohren hin. „Ach so, ja natürlich“, meinte er und lächelte zurück. Offensichtlich hatte er verstanden. Die Stöpsel setzte er nicht wieder auf – er wollte ja noch am richtigen Ort aussteigen … Dass er erst drei Stationen später aussteigen musste, machte umso deutlicher, dass er vorher schlicht nicht DA war. Total abgemeldet von der realen Welt also, und jeder Versuch, per Mausklick wieder auf seinem Sitz im Postauto zu landen, scheiterte. Wenn er das wollte, so musste er sich den Gesetzmässigkeiten der realen Welt beugen und einen kleinen Aufwand betreiben, um noch rechtzeitig an seinem gewünschten Ziel anzukommen. Ein- und Ausklicken ist nur in der virtuellen Welt möglich. Dort spielen auch Ort und Zeitpunkt des Ausklickens keine wirklich wesentliche Rolle. Ganz anders im Postauto!
Die drei Affen
Ich weiss nicht genau, wann es war. Ich sass im Zug und sah mich von lauter Menschen umgeben, die unmissverständlich nicht auf zwischenmenschlichem, aber sehr gezielt auf unterhaltungstechnischem Empfang standen. Die einen hatten die Stöpsel im Ohr, die andern schienen verliebt in ihr Handy, wieder andere leisteten konzentriert Freund Lap-Top Gesellschaft. Kurzum ein so unlebendig-technisches Klima innerhalb einer beliebigen Ansammlung von Menschen, von denen jeder im Grunde genommen ein sehr spannendes, dynamisches Buch wäre. Ein Klima, eine Situation, die nachdenklich stimmt. „Wo rasen wir nur hin?“ fragte ich mich einmal mehr besorgt. Und plötzlich schob sich mir während der „Studie des postmodernen Menschen“ ein mir seit Jahren bekanntes Bild vor meine inneren Augen:
Das Bild der drei „abgemeldeten Affen“: „Ich höre nichts - ich rede nichts – ich sehe nichts!“ Mutieren wir Menschen von heute nicht schleichend zu lauter abgemeldeten Affen? Dabei ist der Mensch unbestritten ein Beziehungswesen - nicht bloss zu und mit sich selbst ...
Und so sieht es dann bald in jedem Postauto aus:
Ja, so ungefähr kommt mir das (a)soziale Klima des modernen Menschen heute vor, der mehr und mehr von seiner einmaligen, schöpferischen Lebendigkeit verliert. „Ich höre nichts – oder nur das, was ich grade jetzt und überall selbst wählen kann - die mitgetragene Musik!“ „Ich sehe nichts – es sei denn das, was ich jetzt und überall grad will – den jüngsten „Top-LAP“ (Lebens-Abschnitts-Partner) auf dem Lap-Top! Ich rede nichts – oder nur mit dem, den ich jetzt und überall auf der Stelle abrufen kann – meine Handyaner! Kurz und gut: Ich beschäftige mich nur noch mit meiner ganz eigenen kleinen Welt – alles andere um mich herum geht mich nichts an. Diese Welt ist zwar noch da – aber eigentlich spür ich sie schon bald nicht mehr ...!“
Gerade sie wäre noch immer unsere eigentliche Welt, speziell für uns geschaffen, für uns ausgedacht, zu unserem persönlichen Entdecken, und nicht zuletzt zum gegenseitigen Wachsen und Werden in aufmerksamer Beziehung zu unseren Du’s.
„Aber da es keine Kaufläden für Freunde gibt, haben die Menschen keine Freunde mehr. Wenn du einen Freund willst, dann zähme mich….“[3]
... beklagt und rät der Fuchs dem kleinen Prinzen in St. Exupérys Märchen, welcher vielleicht voraus geahnt hat, dass seine Geschichte mit jedem Jahrzehnt immer nur noch wahrer wird. Zähmen, eine zutiefst pädagogische, menschliche Tätigkeit. Eine, die Zeit braucht, Geduld und die Fähigkeit, auf eigene Bedürfnisse mal mehr, dann weniger zu verzichten. Eine Tätigkeit auch, die ohne verlässliches DA-SEIN unmöglich ist. „Dasein in Beziehung zu“ meine ich.
Ich werde die Vermutung nicht los, dass wir uns auf ganz neue Formen von Blindheit, Stummheit und Taubheit hinbewegen. Jener des Herzens, und ich ahne gleichzeitig, dass der durch somatische Krankheit Stumme, Taube und Blinde noch weit lebendiger ist, als Kinder, welche am Überkonsum von digitalen Medien leiden und so ihr inneres Lebendigsein und Wirklichsein gegen öde, sie innerlich ausplündernde Technik eintauschen, ohne sich der verheerenden Folgen bewusst zu sein ... Schleichend nimmt das Kind der Postmoderne (nicht allein das Kind) Abstand und Abschied vom lebendigen, lebenswerten, sinngebenden Leben und zieht sich in sein Schneckenhaus zurück. Wer weiss, ob wir uns nicht in einigen Jahren mit einer neuen Krankheit, dem Neo-Autismus, herumschlagen müssen? Oder sind wir schon so weit? Ich mache keinen Witz, es ist mir leider todernst bei diesem Gedanken und es erfüllt mein Herz mit grosser Sorge. Die Zeit der „abgemeldeten Affen“ ist längst angebrochen.
Ergänzung 2018: Als ich das kürzlich wieder las – erschrak ich selber über die präzise Voraussicht, die ich damals hatte ... Seit rund fünf Jahren schlagen sich Schulen und Ärzte mit dem neuen „Trend“ ASS (Asperger-Kinder) um, was zu den autistischen Krankheitsbildern zählt. Autismus oder autistische Störungen basieren meist auf Beziehungs- und Bindungsstörungen in frühster Lebensphase. Durchaus bereits im Mutterleib. Der Computer ist zwar ein Objekt – aber auf keinen Fall ein Beziehungs-Objekt. Und das ist es, was der Mensch vordringlich braucht. Erst recht in den frühen Jahren seines Lebens. Fehlen ihm treue, verlässliche Beziehungen, verkümmert er von innen nach aussen ...
Ja, in der heutigen schulischen Landschaft bin ich viel zu vielen Kindern begegnet, denen die seelische Armut und Verkümmerung nur so aus den Augen und oft auch aus ihrer Körperhaltung sprach.
Wie Findelkinder kamen mir manche vor. Verloren in dieser Welt.
Wenn die Seele nicht gut genährt wird
Jedes Kind kommt mit ganz bestimmten, noch verborgenen Anlagen, Begabungen und Grenzen zur Welt. Da, wo sich seine Anlagen und Begabungen entfalten, tun sie es nicht automatisch. Es hat mit Zähmen zu tun, das dem Kind förderlich ist. Zähmen ist ohne Einsatz von Kopf, Herz und Hand nicht möglich.
Immer wieder betont Winnicott in seinen Büchern, wie unerlässlich es sei, dass das Kind auf eine genügend gute Umwelt angewiesen sei, um sich seinen inneren Anlagen entsprechend entfalten und entwickeln zu können. Nebenbei: Der Begriff „Umwelt“ im Sinne Winnicotts, ist im Leben des Kindes primär Platzhalter für Menschen. Beziehungs-Objekte also. In der Säuglingszeit meint er damit die Mutter, dann auch den Vater. Im Verlaufe der Zeit treten immer mehr Menschen ins Leben des Kindes ein, die freilich von der geschaffenen und dinglichen Umwelt nicht abzutrennen sind, und die sie in ihrem ganzen Sein und Werden natürlich beeinflusst. Das wiederum schlägt sich auf die Entwicklung des heranwachsenden Kindes nieder. Lauter Wechselwirkungen.
Winnicott streicht klar heraus, dass die Anlagen im Kind noch lange nicht Lebendigsein, Schöpferischsein und somit ein Gefühl von Wirklichsein in ihm bewirken. Ohne treue Zu- und Hinwendung der Umwelt zum Kind, genauso umgekehrt, stellen sich diese erhofften Qualitäten menschlichen Lebens nicht ein. Da kann nicht dreispurig durch den Alltag gehetzt werden, wenn einem so etwas Kostbares und genauso Verletzliches wie ein Kind anvertraut ist. Die Mutter, die während des Stillens ihres Babys fernsieht und gleichzeitig mit dem Handy beschäftigt ist, dürfte das, was Winnicott unter einer genügend guten Umwelt versteht, kaum treffen. Ich lasse Winnicott reden:
Das Baby wird mit bestimmten in ihm angelegten Tendenzen geboren, die das Individuum mit Ungestüm in einem Wachstumsprozess vorantreiben. Dazu gehören die Tendenz zur Integration der Persönlichkeit, zur Ganzheit der Persönlichkeit in Körper und Geist und die Tendenz, sich auf Objekte zu beziehen, die nach und nach zu einer Angelegenheit der zwischenmenschlichen Beziehungen wird, wenn das Kind heranwächst und allmählich das Dasein anderer Menschen zu verstehen beginnt.
Zu Anfang des Lebens nimmt die gesamte Entwicklung ihren Lauf, einfach weil die in dem Kind angelegten ungeheuer vitalen Entwicklungstendenzen da sind – die Tendenz zur Integration, zum Wachstum, das, was eines Tages dazu führt, dass das Kind laufen möchte, usw. Wenn das, was die Umwelt zu bieten hat, hinreichend gut ist, dann finden diese Dinge einfach statt. Wenn die Umwelt jedoch nicht ausreichend gut ist, dann wird die Linie des Lebens unterbrochen, und die so mächtigen angeborenen Tendenzen können das Kind nicht dahin führen, dass es seine individuelle Erfüllung findet…[4]. (Hervorhebungen durch die Autorin)
Damit werde ich an meine letzte These erinnert, die unmissverständliche Bestätigung findet:
These 3: Durch einen Überkonsum von Angeboten moderner Medien erfährt das Kind von heute in seiner Seele eine Zerstörung seiner schöpferischen, kreativen Antriebe, wodurch es den Zugang zu seinem Herzen, seinem eigenen Wirklichsein verliert.
Die Linie des Lebens wird unterbrochen, sagt Winnicott! Das heisst letztlich nichts Anderes, als dass die Linie des Todes oder (Ab-)Sterbens hier einen Anfang nimmt. Etwas, das vom Schöpfer zum Leben und Lebendigsein berufen wäre, stirbt unter einer ungenügenden Umwelt einfach ab. Das nennt man dann Deprivation (=Mangel/Verlust von etwas Erwünschtem).
Das Kind ist zwar physisch durchaus noch am Leben, meistens wenigstens, aber das eigentlich Personhafte und Lebendige in ihm, seine Inwendigkeit, stirbt in einer ungenügenden Umwelt langsam und stetig ab – im Extremfall bis zum körperlichen Tod. Dazu gibt es zahlreiche Beispiele von Heimkindern, die zum Beispiel John Bowlby in seinem Buch „Frühe Bindung und kindliche Entwicklung“ sehr differenziert beschrieben hat. Das wegweisende Buch zu Kindern mit Verhaltensauffälligkeiten ist nach wie vor im Handel.
Nun könnte man denken: „Ja gut, das gilt für die Säuglingsphase, aber das Kind, von dem in dieser Arbeit die Rede ist, hat diese längst hinter sich gelassen.“ Das stimmt zwar. Aber erstens wird hier nicht untersucht, wie es diese erlebt hat, zweitens macht Winnicott an anderer Stelle darauf aufmerksam, dass die oben beschriebene Entwicklung und Bedürftigkeit des Säuglings keine ist, die nach der Kleinkindphase abgeschlossen wäre und nie mehr auch nur irgend etwas mit dem Leben des Menschen zu tun hätte. Die inneren Tendenzen, wie auch das Bedürfnis, diese zur Entfaltung zu bringen, bleiben einem Menschen ein Leben lang erhalten, sofern sie nicht durch eine unzulängliche Umwelt unterdrückt werden oder gar absterben. Der Grad der Abhängigkeit von der Umwelt nimmt jedoch unter günstigen Voraussetzungen zunehmend ab. Das muss das Ziel jeder vernünftigen Erziehung sein. Winnicott hält fest, dass das, was er über Babys gesagt habe, sich genauso auch auf Kinder im Schulalter beziehe. Diese Überzeugung teile ich.
Die Nahrung der Seele beim Medienkind
Während der Beschäftigung mit Wolfgang Bergmanns Literatur zur Medienkindheit hat sich bestätigt, was Winnicott im obigen Zitat feststellt. Kinder, die überdurchschnittlich viel Zeit im Kontakt mit digitalen Medien verbringen – was im Sinne Winnicotts eine unzureichende Umwelt wäre – erfahren ein Absterben ihres kreativen und/oder geistigen Potentials, welches sie nicht mehr zur Entfaltung bringen können. Was ihnen noch abhanden kommt, will ich an dieser Stelle noch nicht erwähnen. Und das alles geschieht deshalb, weil die Seele nicht mehr gut genug mit jener Nahrung versorgt wird, die solche Entfaltung erst ermöglichen würde.
So verstanden nehmen die modernen Medien in erster Linie Einfluss auf die Entwicklung der kindlichen Seele* – und das hat seine entsprechenden Konsequenzen. Wolfgang Bergmann hat sich eingehend damit auseinander gesetzt. Im folgenden Kapitel will ich den Leser mit ein paar seiner wichtigen Entdeckungen vertraut machen. Es soll aufgezeigt werden, was mit oder an Kindern geschieht, die ihre Seele übermässig mit Angeboten aus der Computerwelt füttern.
*Nachtrag 2019: Heute weiss man längst, dass der Hauptangriff digitaler Medien zuerst auf die Hirnentwicklung zielt – was dann in zweiter Linie fatale Auswirkungen auf die Seele hat, die sich bei Überkonsum aus „Digitalien“ nur noch zum Krüppel „entwickeln“ kann ... Erwachen wir? (Katharina Steiner)
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